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0149 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 149 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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hatten wir auch nicht mehr so viel unter Kälte zu leiden. Doch sank bei Nacht

das Thermometer stets bis mindestens — 26 °.

Am 11. Februar hatten wir auf unserer Route einen 2 km breiten und sehr

hohen und steilen Moränenwall zu queren, aus dem zwischen rötlichen, lockeren

Sanden viele kubikmetergroße, runde Granitblöcke herausragten. Von diesem

Wall, der — soweit ich die riesenhaften Verhältnisse bei dem immer noch an-

haltenden Dunst und Nebel überblicken konnte — die linke Seitenmoräne einer

einstigen, über 100 km von West nach Ost ziehenden Gletscherzunge darstellt,

gelangt man in die breite Wa yung oder Tsa ge yung, eine Westostebene, die

ein kleines Flüßchen beherbergt, das später in den Re tschü fließt. Dieser ver-

einigt sich mit dem Ser tschü und geht endlich im Lande der Horkurma an

dem von den Tibetern Re tschü warma, d. h. Mündung des Re tschü (Bergwasser),

genannten breiten Sumpftal in den Hoang ho. Die Wa yung war an der Stelle,

wo unser Weg sie kreuzte, über 4 km breit und bildete eine kostbare Grasebene,

die nur von Kyang, Antilopen und Wildyak berührt war. Die Karawane

sammelte hier von elf Uhr morgens an neue Kräfte. Um zehn Uhr bereits war

unser Vortrupp mit dem Be hu am neuen Lagerplatz eingetroffen und hatte

mit dein Kochen des zweiten Morgentees begonnen. Hierbei gab es ein kleines

Unglück. Die Reiter waren wohl durch den Schnee der letzten Tagesmärsche

leichtsinnig gemacht worden. Dieser war in der offenen Wa yung, obwohl die

Sonne nicht ein einziges Mal durch die Wolkenhaube hatte dringen können,

vollständig verdunstet, als ob die hellen Lichtstrahlen schon zu dieser Arbeit

genügend wären. Das dichtstehende braune Wintergras wogte wie ein Früh-

lingskornfeld in dem strammen Westwind. Plötzlich begnügte sich aber die

Glut eines Teefeuers nicht mehr mit dem kümmerlichen Argol, leckte lieber

gierig nach den nächsten Grashalmen, eine neue Bö half ihr weiter und das

Zelt meiner Freunde stand in hellen Flammen. Mit Mühe nur retteten wir die

Sättel, die Gewehre, Pulver und Patronen. Ein Feuerzüngelchen hatte aber

doch schon naseweis über den Pfannenrand einer Luntenflinte schnalzen müssen,

bautz ! ging ein Schuß los und eine Kugel drang in das Bein eines Maultiers,

das unweit graste. Ein Glück war es, daß die Kugel an einer Schnalle ihre beste

Kraft verloren hatte. Der wilde West breitete das Feuer lawinenartig weiter

aus und bald war die ganze untere Wa yung von Feuer und Rauch erfüllt. Der

Präriebrand erlosch erst spät in der Nacht, nachdem er irgendwo ganz weit

in der Ferne auf nackten Fels und Schneefelder gestoßen war und da und dort

noch die umliegenden Höhen geschwärzt hatte. Die Kyangrudel und Wildyak-

herden waren vieler hundert Kilometer Weide beraubt. Auch der Schaden

des Be hu war ziemlich groß. Er schalt aber keinen seiner Leute. Fatalistisch,

„unregsam" (wu wei übend [s. Bd. I, S. 6]) ergab er sich in das Geschehene.

Von der Wa yung ging es genau südwestlich, ganz schwach ansteigend,

ein breitsohliges Seitental hinauf. Immer spärlicher wurde die Pflanzendecke,

immer schlimmer die Lage für die Tiere, täglich bezahlte die Karawane den

Fortschritt mit einigen ihrer Yak. Wenn solch ein schwarzer, zottiger Ochse

sich nur noch mühsam über die glatten, runden Höcker der Naka fortschleppte,

endlich es aufgab, seinen Kameraden nachzueilen, erschöpft stehen blieb und

auf die Aufforderung der Treiber mit den Hörnern Antwort gab, nahmen ihm

seine Herren wortlos den Sattel ab und schnitten ihm rasch die langen Schwanz-

und Mähnenhaare dicht an der Wurzel ab. Keiner kümmerte sich dann mehr

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