National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0151 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 151 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000264
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

 

Marsche gab es auch, von dem stets vorauseilenden Be hu Bon abgesehen, keinerlei Patrouillen. Jede Abteilung sorgte nur für sich und war in sich in jedem Augenblick kampfbereit.

Am 12. Februar war bei meinen Chinesen Silvester. Sie hockten den ganzen Nachmittag mit tiefsinnigen Köpfen ums Feuer und unterbrachen nur von Zeit zu Zeit ihr Schweigen, indem sie auf die Kälte und auf den Sturm schimpften, der in die Finger biß, daß die meisten wie Brandblasen anzusehende Anschwellungen und gangränöse Wunden bekommen hattenl). Der eine oder andere ließ zwar die Bemerkung fallen, es sei gut, daß er mit mir in die Einöde gezogen, denn hier finde ihn sein Gläubiger nicht und müsse ihm weiter stunden. Gegen Abend wurden die Leute aber mürrisch. Ich mußte der Stimmung aufhelfen und kaufte den Tibetern ein Branntweintönnchen ab, lud auch die Vormänner und den Be hu mit seinem Sohn zu einem allgemeinen Schmause für die Nacht ein. Von den Tibetern berührte jedoch keiner den Schnaps, auch nicht der wilde Prinz. „Es ist ein allzu böser und gefährlicher Ort, an dem wir lagern," meinten sie. „Wer kann wissen, was die nächsten Stunden bringen, ob wir nicht überfallen und angetrunken eine allzu leichte Beute der Feinde werden." Sie fürchteten, daß die Sert a (Serschea) oder Hantsien Doba-ngGolokh von der Rückkehr ihrer Karawane Wind bekommen hätten und ihnen auflauerten. Dem Reis aber, der zur Feier des Festes ausnahmsweise mit Butter und Zucker geschmälzt war, sprachen sie recht kräftig zu und ließen bei Hammel, Reis und Tsamba-Tee alle Augenblicke einen hellklingenden Zungenschnalzer erschallen als Zeichen, wie herrlich ihnen das Gebotene munde.

Als ich in der Morgendämmerung erwachte und meinen Pelzmantel vom Gesicht schob, gaben sich meine Diener gerade den gegenseitigen NeujahrsKo tou und fielen dann auch vor mir nieder, wofür ich jedem ein Geschenk in Silber aushändigte. Unter den Tibetern aber suchte ich vergeblich nach einer sichtbaren Neujahrsgratulation; sie feierten erst einen Monat später das neue Jahr. Am Mittag wurde ein allgemeines Scheibenschießen veranstaltet. Ein wenige Handteller großes Eisstück wurde aufgestellt und über ein Dutzend Männer hockte in breiter Front auf etwa fünfzig Schritt Abstand davor. Die Tibeter schießen stets, wenn nicht knieend, dann hockend, indem sie sich mit gekreuzten Beinen auf die Erde niederlassen, den Kolben ihrer Luntenflinte in die linke Hand nehmen und den Lauf auf der vorne vor der Mündung im Boden steckenden Gabel balancieren und durch die diopterartige Visiervorrichtung zielen. Natürlich ist das Schießen auf diese Weise sehr schwerfällig. Das Gewehr ist bei ihnen eine Handkanone geblieben. Wegen der im Boden steckenden Gabelstützen ist dabei eine ausgiebige seitliche Bewegung sehr schlecht auszuführen. Deshalb treffen sie auch auf bewegliche Ziele so gut wie nie, aber auf feststehende Ziele habe ich bis 200 m sehr gute Treffer beobachtet. Zagenden Muts, bewußt, was davon abhänge, folgte ich schließlich der dringenden Aufforderung des Be hu und beteiligte mich am Scheibenschießen. Einige hatten Witze über mich gerissen, weil sie mich immer liegend hatten schießen sehen. Sie batten dies sehr unschön und unzweckmäßig gefunden. Zum Glück hatte ich den Dusel, mit einem Hohlspitzgeschoß, stehend und freihändig, mit dem

1) Handschuhe wurden von meinen Leuten wie von den Tibetern nicht getragen. Dafür trägt man die langen Ärmel, die um Fußlänge (s. Bd. I, Titelbild) die Arme überragen.

117

r