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Meine Tibetreise : vol.2 |
dem Krater eines Vulkans herausquoll. In den Tagen zuvor hatten sie nur
den Staubschnee zu kosten bekommen, der ihnen beim Grasen zwischen die
Zähne kam. Je weiter südlich wir vordrangen, desto dichter ward der Schnee.
Doch war auch hier noch immer die starke Verdunstung auffallend. Eine frische
Schneedecke von 10 cm Tiefe konnte innerhalb zwei Stunden selbst durch
einen geschlossenen Wolkenschleier hindurch von der Sonne aufgesogen werden,
ohne vorher zum Tauen zu kommen. An der großen Wasserscheide vor dem
Dsa tschü-Tal lag über einen Fuß tiefer Schnee. In den Mulden und Löchern
aber, in die die Tiere ahnungslos traten, fand er sich bis 1 und 11/2 m tief. Die
K`am ba ließen auf dem letzten Tagesmarsch vor dem bewohnten Gebiet ein
volles Dutzend Ochsen zurück und unter meinen Maultieren gab es infolge von
Stürzen über Felsplatten auch manchen lädierten Gesellen. Die Tibeter hätten
wohl noch viel mehr Verluste gehabt, wenn nicht durch vorausgesandte Boten
das Nahen der großen Karawane bereits gemeldet gewesen wäre und Reiter
mit frischen Tieren der Tendu ba (chin.: Tschendu) und Anir ba uns empfangen
hätten (Tafel XXV).
Wir waren nun in das Land der Dsa tschü ka ba gekommen, eines Nomaden-
volks von etwa 20 000 Köpfen, das zur Linken und Rechten des Dsa tschü
(chines. : Ya lung kiang) seine Herden weidet, an das Königreich Dergi an-
gegliedert ist und in 26-30 Unterstämme zerfällt. Einer der am weitesten
westlich wohnenden Unterstämme (oder sde schok) ist der der Anir ba (A mir ba),
deren Häuptlinge eine besonders angesehene Stellung unter den übrigen Dsa
tschü ka (kak) ba einnehmen und mit dem Tschendu Be hu befreundet waren.
Als man hinter dem letzten hohen Paß Lager geschlagen hatte, rüstete sich ein
jeder zur festlichen Einholung. Gebetwimpel in allen Farben des Regenbogens
wurden an den Gabeln der Flinten befestigt. Der Be hu legte seinen Reise-
pelz ab, der an den Ärmeln und am Kragen als Zeichen seiner Wohlhabenheit
und Würde 10 cm breit mit Otterfell verbrämt war, und schlüpfte dafür in
einen Pelzrock, der außen mit karmoisinroter Seide bezogen war und an allen
Rändern einen 25 cm breiten Besatz von Otterfell zeigte. 22 Fischottern und
46 schneeweiße neugeborene Lämmchen hatten Leben und Haut lassen müssen,
um das Einzugsgewand herzustellen. Auf seinen immer noch struppigen, un-
gekämmten Kopf aber stülpte sich der hohe Herr einen steifen mandschurischen
Mandarinenhut mit rotem Knopf und knallroten langen Fransen und mit einer
großen blauen Feder 1). Das braune ungewaschene Gesicht stach von der üppigen
sauberen Kleidung gar seltsam ab. Freilich, große Toilette zu machen, war
bei dem unaufhörlichen Westwind und dem Mittagsmaximum von immer noch
8 ° nicht gerade sehr einladend. Die tibetische Toilette hatte darin bestanden,
daß sie sich mit einer Pinzette alle ihre Barthaare ausrissen. Am Nachmittage
des 17. Februar und am nächstfolgenden Morgen trafen Hunderte von festlich
gekleideten Reitern zur Begrüßung bei uns ein. Wenn sie ihres Be hu ansichtig
wurden, sprangen sie behend aus den Sätteln, näherten sich demütig gebückt,
ihre Pferde am klafterlangen Anbinderiemen nach sich ziehend, streckten dazu
die Daumen in die Höhe und riefen singend : „Ya Be hu rembodyi odyi ! odyi !"
und bis ans Kinn hinab glitt schließlich noch die Zunge zum Gruß aus dem
1) Als ich nach seinem Knopf sah, beeilte er sich, mir zu sagen, der Amban habe ihn in Hsi ning mit dem roten Knopf beehrt. Tschang tung sche aber fügte hinzu: „Ein blauer Knopf in Hsi fling färbt sich in der Steppe von selbst rot."
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