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0166 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 166 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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selbst die gelehrtesten Lama ihr Leben lang mit der Orthographie auf gespanntem Fuße stehen.

Außer diesem Zehnjährigen hatte der Be hu noch zwei Söhne, den achtzehnjährigen, der die Reise nach Dankar mitgemacht hatte und der künftige Inhaber der Häuptlingswürde war, und einen ein wenig älteren, der als Inkarnation in einem Kloster im Yang tse-Tal saß. Da nach tibetischem Recht der Zweitgeborene jetzt volljährig geworden war, hatte sein Vater ihm bereits eine Frau bestimmt. Die hübsche Tochter des Häuptlings des Anirba-Stammes von oben im Dsa tschü-Tale sollte in wenigen Wochen in die Familie aufgenommen werden. Der Be hu honte, durch diese Verbindung ein wertvolles Bündnis zu gewinnen und damit künftig einen Gegendruck auf die andrängende, freche Dergi-Übermacht ausüben zu können.

21. Februar. Im Tale hatte es heute am Morgen — 10 ° und dazu 10 cm Neuschnee. Wir brachen um zehn Uhr von der Tschendu-Burg auf. Ich wollte jetzt Lab gomba besuchen, dann an Dscherku, dem Hauptort des Gebiets, vorbei immer weiter nach Süden vordringen, bis mir eben irgendwo so energisch Halt geboten würde, daß ich nicht weiterkäme. Der Weg zum Kloster Lab, Labe oder Labeg führt über den Berg und Paß Nien ge la. Der Paß ist nicht tief in die Bergkette, die das Tsche(ndu)-Tal vom La(be)-Tal trennt, eingeschnitten und erreicht die Höhe von 4650 m. Wir kamen bei dem Schneewetter unerwartet und deshalb auch unaufgehalten an dem Dergi-Dorf oberhalb Tschendu vorbei und hinter diesem stieg unser Weg bald steil und immer steiler und geradewegs zum Paß hinauf. Ich hatte zwei Tschendu-Leute als Führer mitbekommen. Diese marschierten in strammem Schritt an der Spitze des Zuges und schienen keine Ermüdung und keinerlei Atembeschwerden zu kennen, während meine Chinesen nicht zu bewegen waren, von den Pferden zu steigen, sich vielmehr zu meinem Ärger wie Mehlsäcke auf die armen keuchenden Tiere klemmten, auch wenn diese am dachgähen Hang ausglitten und auf den Knieen abrutschten. Dabei war der Westwind auf der Höhe so heftig, daß ich schon aus Furcht, die Zehen zu erfrieren, nicht reiten mochte. Nahe vom Paß holte uns ein Bote ein, der die frohe Kunde brachte, daß der Tschendu-Häuptling einen vierten Sohn bekommen habe. Ich gab dem Boten auf dem Paß noch einen Khádar und ein Stück Seide als Angebinde, dann eilte er voraus nach Lab gomba, einen Priester zu benachrichtigen und zu holen, der dem Kinde einen glückverheißenden Namen geben sollte.

Aus den Erzählungen der beiden Tschang wußte ich, daß in K`am ungezählte jäh aufsteigende Übergänge auf mich warteten; keiner hatte mir aber gesagt, daß sie als Chinesen über alle diese Pässe reiten wollten. Mir bangte nun doppelt vor diesen Bergen und den Verlusten an Tieren, die sie mir bringen würden. Das Menschenmaterial, das ich diesmal mit mir hatte, war für diese steilen Gebirge ganz ungeeignet. Meine strengen Worte und buddhistisch gedachten Mahnungen riefen an diesem ersten K` am-Paß um Haaresbreite eine allgemeine

Meuterei hervor.

Auf der Südseite ging es vom Nien ge la steil hinab, bis wir nach 800 m wieder auf Felder trafen und in ein größeres Tal, das mit dem von Tschendu parallel läuft, einbogen. Den Talausgang beherrschte eine alte Turmruine, an welche sich Überlieferungen von Grenzstreitigkeiten aus grauester Vorzeit knüpfen. Von ihr ritten wir noch ein halbes Stündchen das La-Tal aufwärts, ohne

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