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0167 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 167 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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auch nur einem einzigen Menschen zu begegnen, dann öffnete sich mit einem Male rechter Hand eine wilde Schlucht und ein eisiger Luftstrom empfing uns. Riesige Tschorten, mit Tausenden von Ts`a ts`a und Gebeten gefüllt, und Mendong-Mauern faßten unseren Weg ein, die auf jedem ihrer Steine Anrufungen und Bildnisse der Götter eingemeißelt und bunt bemalt trugen. Eine kurze Strecke geht es in diese Schlucht nur hinein, dann stehen wir vor dem düster dreinschauenden Klostertore und vor Steinmauern, die sich schwarz aus dem zusammengewirbelten Schnee herausheben. Wir bitten um Einlaß in Lab gomba.

An eine nach Osten gerichtete Felswand gelehnt, drängt sich eine Häusermasse mit engen und krummen Gassen zusammen. Niedere Wandelgänge umsäumen die Talseite. In ihnen reiht sich Gebetmühle an Gebetmühle, die unter den Händen der Frommen quieken und krächzen. Hoch oben an der senkrechten Felsklippe, die dräuend über die Schlucht hereinhängt, klebt ein farbiges Tempelchen mit einem Erker daran : die Retraitestätte der Klosterheiligen, deren es hier drei geben soll. Ein schwieriger Aufstieg führt dorthin. Dicht am Fuß dieser Felsklippe liegen fünf größere Gebetlesehallen und an sie schließt sich ein großer Tempel des Schutzgottes der Lehre [Hu hoa dien im Hsi ningDialekt, Hu fa schriftchinesisch]. Hunderte alter Schwerter und Flinten und Bogen rosten an der Decke dieses Tempels. Daneben ist eine Art Schatzkammer, ein Kuriositätenkabinett, in das sich die sonderbarsten Dinge des Abendlandes verirrt haben. Böhmische Glaswaren, europäische Lampen und Uhren, selbst eine schwere, mongolische Karre wurde von frommen Pilgern über alle die Sümpfe und schroffen Gebirge hierher geschleppt.

Das Kloster ist aus Stein und Lehm und in dem schwerfälligen und damit so malerischen tibetischen Tempelstil mit sich nach oben verjüngenden Mauern erbaut und trägt meist flache Lehmdächer. Die Hauptgebäude sind dreistockig, einzelne sogar vierstockig und außen rot bemalt. Die obersten Stockwerke zeigen die schwarzgefärbten Reisigfüllungen.

An dem grauen Winternachmittag, an dem ich Lab gomba betrat, als Wolkenfetzen um die Felsen trieben und dann und wann harte Schneekörner auf das Kloster niederprasselten, lag eine düstere und kalte, eine verwunschene Stimmung auf dieser Stätte. Alles erschien mir uralt und ehrwürdig und heilig. Die wuchtigen Tempelpforten, deren Schwellen Tausende von Pilgern in den Jahrhunderten ausgetreten hatten, die schweren Bronzeangeln und Türklopfer in ihrer köstlichen grünroten Patina, das weinrot gefärbte ungleichmäßige Gemäuer, die schweren schwarzen Vorhänge, die im ersten Stock eine breite Loggia abschlossen, alle die golden blinkenden Symbole, die goldenen Räder, die Spitzen und Knöpfe auf den Tempeldächern, die unzählbaren „gebi", die Yakhaarfahnen, mit dem buddhistischen, symbolischen Dreizack an der Spitze, und die vielen, vielen fettigen, schwarzen Gebettrommeln, die in Leder genäht von schmutzigen, ranzigen Bauern und Bäuerinnen in Bewegung gesetzt wurden, stimmten prächtig zusammen. Wenige Erdenwinkel erschienen mir malerischer als dieses Kloster. Als mein Kommen bekannt wurde, huschten aus tausend Löchern und Winkeln, hinter allen Ecken hervor wie ein Rattenkorps, die Hunderte von jungen Mönchen und Novizen jeglichen Alters. Alle Klosterinsassen mußten den Fremdling und seine Tiere, die mit der letzten Schneewolke in ihr Heiligtum gefallen waren, begaffen, und keiner der Gaffer war je

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