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Meine Tibetreise : vol.2 |
und weiteren Umgebung, waren also keineswegs dem Blute nach Brüder, sondern
nur der in ihnen wohnenden Seele nach.
Zu den Hauptsehenswürdigkeiten des Klosters gehört ein Huo fo ye, der
einst fern von seinem Kloster verstorben ist. Sein Leichnam wurde getrocknet
und dann vergoldet und sitzt jetzt ganz im Hintergrunde eines dunklen Saales,
in seine alten Priestergewänder gehüllt und mit seiner gelben, schmalen und
spitzen Abtsmitra auf dem Kopf. Nur in gebückter Haltung nähern sich die
Andächtigen dieser Reliquie. Um sie genauer in Augenschein nehmen zu können,
kroch ich so nahe an sie heran, als es mir die wachhabenden Mönche gestat-
teten. Aber weder ich noch meine skeptischen chinesischen Begleiter konnten
mit Bestimmtheit sagen, ob die Figur wirklich eine Mumie und nicht doch aus
Bronze oder Ton hergestellt war.
Zur Zeit meines Besuches standen außerhalb der Klosterumfassung nur
wenige Laienhütten und Zelte. Wenn aber ein Fest gefeiert wird, wenn die
Nomaden zum Ko tou kommen, dann dehnt sich auch hier weit talauf und talab
eine riesenhafte Zeltstadt aus. Eines der Hauptfeste wird im Sommer, im VII.
tibetischen Kalendermond gefeiert. An jenem Tage legen die Mönche, wie in allen
Gelug ba-Klöstern, ein Riesenbuddhabild, ein Tangga, in die Sonne, das 50 m
im Geviert mißt und auf Seide gestickt ist. Man zeigte mir den Platz, wo es
ausgelegt wird. Auf der rechten , nach Westen gerichteten Talseite, den
Tempeln gegenüber, zog sich, der Größe des Bildes entsprechend, ein Pflaster
aus mächtigen Steinplatten den steilen Hang hinauf. Während der Auslegung
wird ein Tscham, ein sogen. Mysterienspiel wie Tafel LXIII, getanzt.
Bei starkem Schneetreiben verließ ich wieder das Kloster und folgte abwärts
dem Flüßcb,en La tschü, das an Lab gomba vorüberrauscht. Von der Ein-
mündung des Tschendu-Pfades an ging es immer westlich. Es war ein Längs-
tal im Gebirge und eng mündeten die Seitenschluchten, die die steil fallenden
Sandsteinschichten durchsägen mußten, um sich mit dem La-Tal vereinigen
zu können. Drückend wie Gefängnismauern standen links und rechts die schnee-
gekrönten Talwände. Die Besiedlung des La tschü-Tales ist spärlich, höchst
selten ist ein Mensch zu sehen. Nie liegt ein Dorf an der Straße, an dem breit
ausgetretenen Naturwege, der rücksichtslos auf sein nächstes Ziel lossteuert.
Dann und wann nur entdeckte ich eine Ansammlung von einigen dicht zu-
sammengedrängten Lehmhäusern mit flachen Dächern, die oben an der Ein-
mündung einer Schlucht lag. Von schroffen Felsen schauten wie Burgen alte
Hausruinen auf uns herab und Felder voll von Steintrümmern machten den
Talboden aus. Was mir am meisten am La tschü-Tal auffiel, war der Löß, den
ich hier fand. Freilich sind es keine Massen, wie man sie in China zu sehen ge-
wohnt ist. Nur am Fuße der nach Süden gerichteten Hänge liegt er in größerer
Mächtigkeit — bis zu 6 m — aufgehäuft. Dort dient er sogleich der Ackerwirt-
schaft. Auch hier haben die Bauern auf dem Löß ihre besten Felder.
Am Nachmittag traf ich im Ort Lamda (Lambda, Lamdo) ein, wo der La
tschü in den großen Dre tschü einmündet, und zum zweiten Male starrte ich
auf den tibetischen Yang tse kiang, auf den Tung tien ho der Hsi ning-Leute,
den Dre tschü der Tibeter. Smaragdgrüne Fluten und darauf wie Diamanten
schimmernde Eisblöcke glitten mild rauschend und gurgelnd an mir vorüber.
Wieder hatte mich dieser Strom in seinem Bann, wieder war mir, als zögen und
schöben mich diese Wassermassen ; ein Sirenenchor sang mir ein „Eile, eile
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