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0173 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 173 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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dichten und hohen Fichtenwäldern sind die Hänge bestockt, Felder machen sich im Talgrunde breit, Gebetmühlen klappern an munteren Wassergräben. Ein Kloster der weißen oder Saskya-Sekte winkt mit weiß getünchten, schimmernden Häusern kurz unterhalb des Dorfes von einem steilen Felsgrat herab. Es gehört, wie der Ort Tombu mda selbst, dem Deda Be hu, einem recht mächtigen Vogt oder Grafen, der weiter unten im Yang tse-Tal seinen Herrensitz hat. Diese Deda Be hu- (oder Detta-)Familie erhielt erst vor siebzig Jahren von den Chinesen ihren Rang. Der heutige Inhaber der Würde ist aber bereits weit landauf und landab verrufen. Klagen über Klagen kamen jedesmal zum Bi tieh sehe, solange er in Dscherkundo residierte. Was sollte freilich der chinesische Kommissar mit seinen zwanzig Soldaten ausrichten, die womöglich schlechter bewaffnet waren als die Hunderte von Männern, die der Deda ins Feld führen konnte. Jede Karawane, die das Deda-Land passiert, wird schmählich gerupft und Räubern ist an der Tagesordnung in diesem Gebiet, das zum Wegelagern wie geschaffen ist, in dem mit wenigen Leuten die wichtigsten Straßen zu sperren sind. Deda hört auch nicht mehr auf seinen Oberherrn, den Nan tsien rgyalbo, und sympathisiert mit unabhängigen Stämmen von Dergi. Immerhin hat es die letzten Male nach einigem Zureden seine Kopfsteuer noch an die Chinesen abgeliefert.

Von den Tücken des Deda-Herrn war mir auf dem Wege von Hsi Hing her durch Tibeter und Chinesen so viel Böses erzählt worden, daß ich mit recht gemischten Gefühlen dem Empfang in Tombu mda entgegensah. Dreizehn Jahre waren vergangen, seitdem die dortigen Einwohner die große französische Regierungsexpedition bestohlen, dann gesprengt und ausgeplündert, endlich den Expeditionsleiter, Dutreuil de Rhins, getötet hatten. Wohl war auf den Druck der französischen Diplomaten in Peking die Ermordung bestraft worden. Ein paar Tombu mda-Leute, die zum Handeltreiben mit denen von Lab gomba nach Dankar gekommen waren, hatte man als Geiseln aufgegriffen und schließlich gegen das geraubte Eigentum der Expedition und gegen den Dorfältesten eingetauscht. Dieser Dorfälteste wurde auf der Richtstätte vor den Toren von Hsi ning fu enthauptet. Wie leicht konnten sie nun an mir dafür Rache nehmen wollen! Der Mord und die blutige Sühne lebten noch in frischester Erinnerung. Meine Aufnahme war deshalb das beste Barometer für das augenblickliche Ansehen der chinesischen Verwaltung.

Als ich an der Spitze meines kleinen Trupps mich langsam Tombu mda näherte, stand ein Dutzend Bewaffneter am Dorfeingang und maß mich von Kopf bis zu Fuß mit grimmig aufgerissenen, stieren Augen, aus deren Weiß wild, braunrot die Blutgefäße hervorstachen, so daß ich froh war, in dem weiten Ärmel meines tibetischen Rockes die Pistole streicheln zu können. Zu meinem Erstaunen ließen uns aber die Bewaffneten völlig unbehelligt; ohne allerdings unseren Gruß zu erwidern, gaben sie den Eingang frei und ließen mich in ihre enge, staubige Dorfgasse hineinreiten, die zwischen hohen Lehmmauern und geschlossenen Toren aufwärts führte. Gerade am obersten Ende von Tombu mda steht ein hervorragendes, festes Haus, das der angesehensten Familie des Platzes gehört, von dem aus seinerzeit die französische Expedition am heftigsten angegriffen worden war und dessen Besitzer darum in Hsi Hing fu den Kopf hatte lassen müssen. Alle die massiven Holzladen dieser Hausburg waren verschlossen und das Tor verrammelt. Wir fragten dort vergeblich nach unserem

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