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0174 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 174 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Tung sche, den ich vorausgesandt hatte, um Quartier zu machen. Obgleich wir

Schritte und Flüstern hinter dem Tor hörten, würdigte uns niemand einer

Antwort. Als nach einer langen Viertelstunde der Vermißte sich wieder zu uns

gefunden hatte, brachte er die Nachricht, der Deda Be hu habe verboten,

daß ich in Tombu mda wohne. Noch heute müsse ich bis an die Landesgrenze

weiterreisen, widrigenfalls würde ich angegriffen wie die „Peling". Bei dem

Zustand meiner Tiere war dies Verlangen schlechterdings unausführbar. Mehr

als die Hälfte der Maultiere hatte sich mittlerweile vor Müdigkeit mit den Lasten

auf dem Rücken auf die Straße vor die Hausburg gelegt; der Rest stand teil-

nahmlos mit gesenkten Köpfen und zum Umfallen ermattet daneben. Ich

mußte rasten, wollte ich nicht meine Tiere über ihre Kraft anstrengen und

die meisten für immer verderben. In den offiziellen Gasthof, den „dyatschuk

kang" hineinzukommen, den es auch in diesem Dorf gab, hatte ich von Anfang

an wenig Hoffnung. Nach den üblen Erfahrungen Dutreuils mußte ich aber

danach trachten, in den Besitz eines Viehhofs zu kommen, denn wer bürgte

dafür, daß die Einwohner nicht auch mir Pferde stehlen und mir, wie den

Franzosen, ein Vorspiel zum offenen Kampf liefern wollten? Da sah über eine

Mauer ein altes, runzliges Gesicht, das nicht alsbald wieder verschwand. Auf

ein lustiges : „Arro, Vater, eine Rupie für den Kuhdung zu einer Tasse Tee!"

schob sich der schwarze Kopf sogar noch weiter heraus und ließ sich das

Geldstück zeigen , das wir da so freigebig anboten. „Wir wollen rasch Tee

trinken, um heute noch weiterzukommen," sagte ihm der Dolmetscher Tschang

beruhigend , „lasse uns doch in deinen Hof hinein. Du sollst dafür noch

eine Rupie haben." Die Worte „dya tung" (Tee trinken) und „tsamba so"

(Tsamba essen), dazu das Gesicht und der Rock des chinesischen Lao ye hatten

wieder einmal den Bann gebrochen. Der Alte schob nach einigem Zögern den

schweren Riegelbalken seines Tores beiseite und ließ uns, dem ausgegebenen

Befehl seines Herren zum Trotz, eintreten. Es war freilich kein allzu guter

Platz, wo wir die Tiere abluden. Gegen den Bach zu befand sich nur eine wenig

über meterhohe Steinmauer und auf der einen Seite stand ein Haus, das den

Hof bis fast in seine letzte Ecke beherrschte. Aber ich war doch im Ort drinnen

und nicht in der offenen Prärie, wo bei Angriffen die Tiere kaum zu halten sind

und sich auch nur schwer feststellen läßt, mit wem man es zu tun hat. Nachdem

Tombu mda für die Ermordung eines Fremden einmal bestraft war, hielt ich

es außerdem nach dem Charakter der Tibeter für völlig ausgeschlossen, daß die

Einwohner innerhalb ihrer Mauern einen zweiten Raubanfall versuchen würden.

Nachdem abgeladen war, fehlte zunächst das Stroh für die Tiere. Ein eifer-

süchtiger Nachbar fand sich aber plötzlich, der das Fehlende verkaufte. Der

von schräg vis-a-vis erinnerte sich an eine alte Tante, die arm war; er empfahl

sie zum Feueranblasen für ein Dritteil einer Rupie, was wir mit Meißel und

Hammer aus einer ganzen herstellten. Ein vierter und fünfter hörte, daß ich

ein Maultier zu verkaufen hatte; sie mußten das Tier sehen und darum feilschen

(Tafel XXII). Es kamen aber sonst nur noch wenige Tibeter in unseren Hof,

und der Handel wurde von mir kunstvoll so lange hingezogen, bis kurz vor fünf

Uhr die Herden der Dorfbewohner von den Bergen tierabgetrieben wurden.

Dann erst ließ ich die letzte Rupie im Preis nach. Wir sahen uns hierauf

umständlich die angebotenen Rupien auf ihre Güte und Prägung an. Als auch

dies erledigt war, fing ich zu lamentieren an, daß es nun schon so spät geworden

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