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0176 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 176 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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und neu beladen werden. Eines der Maultiere bekam eine Herzschwäche, taumelte zuerst wie betrunken und als ob es bergkrank geworden wäre, und fiel wieder und wieder auf die Knie, nachdem ihm längst seine kleine Last abgenommen war. Es wurde das erste Opfer dieser Winterreise. Gerade ehe die erste Etappe von der Karawane erreicht war, schlug ihm seine Schicksalsstunde. Es war früher ein so mutwilliger Scheck, der sich von allen Langohren am besten aufs Hintenauskeilen verstanden hatte. Jetzt mußten wir ihn einsam stehen lassen, um die anderen und uns selbst aus dieser lebensfeindlichen Welt zu retten. Aufrecht , wie angewurzelt und versteinert , blieb das arme Tier am Hange stehen. Eine alte Filzdecke haben wir ihm gelassen — wann mag sie ihm wohl ein vorüberreisender Tibeter abgenommen haben? Mit Mühe drehten wir das steife Tier noch so, daß es der Wind von hinten traf, dann trieben wir herzlosen Menschen die übrigen weiter in den peitschenden Sturm und den Nebel hinein').

Die breite, sanfte, gerundete Berggestalt, die wir in der Höhe trafen, erschwerte noch mehr die Orientierung inmitten von Wolken und Schneewirbeln. Wäre der tiefe Schnee nicht gewesen, wir hätten glauben können, auf die Tschang tang zurückversetzt zu sein, so sanft waren die Böschungen, so muldig die Talformen, so schwach der Grat durch Pässe eingekerbt, so selten sah der anstehende Fels aus den Massen lockeren Schutts heraus. Bei einem späteren Besuch dieses Gebirges fielen mir noch einzelne große Felsblöcke auf, die Schrammungsspuren zeigten und auf mehr oder weniger weiten Transport durch Firn oder Eis hindeuteten. Bis etwas unter 4000 m scheinen die letzten Moränen gegangen zu sein. Jetzt freilich ist dort weit und breit kein Plätzchen mehr mit mehrjährigem Schnee, obwohl einzelne Punkte bis über 5000 m hinaufreichen.

Nachdem wir oben ein kleines Längstälchen überschritten hatten, das dem Streichen der Schichten nach Südosten folgte, mußte ein zweiter PaB, kaum niederer als der erste, überstiegen werden. Eine schmale Kalkzone, eine Kette kleiner Klippen bildend, wie sie sich so oft am oberen Hoang ho und am Schogha gol gefunden hatten, wurde kurz davor durchmessen.

Zeigten das Yang tse-Tal und seine nächsten Seitenschluchten ganz spitze V-Formen und typische Bilder dafür, daß sie nur das rinnende Wasser ausgenagt haben kann, so waren auf diesem Berg wieder nur flache Böschungen, und die Täler und Schluchten endigten mit breiten Mulden. Kleine Hochmoore und Moränenwälle lagen wulstig auf den immer noch steil, j a meist vertikal stehenden Sandstein- und Schieferplatten, die den Grundstock des Gebirges ausmachten.

Endlich zerriß der Sturm die Wolkenhülle um uns. Nach Süden und Südwesten dehnte sich weiter und weiter das wirre Felsenchaos, das ich schon nördlich. des Yang tse kiang bestaunen und bewundern mußte. Gipfel schloß sich an Gipfel, Kette hinter Kette, aber nirgends wollte sich eine menschliche Behausung zeigen. Zwischen kahlen Geröllhalden, dem Lauf eines Bächleins folgend, ging es von dem Passe hinab nach Süd. Wo das Erdreich durch die Sonne aufgetaut war und der Schnee fehlte, hemmte uns tiefgründiger Morast. Endlich aber trafen wir die dichtstehende Pflanzendecke wieder wir fanden bald darauf zwei schwarze Zelte und weidende Yak. Vor uns liefen, aus Westen und Süden kommend, zwei große Täler zusammen. Und um eine scharfe Ecke biegend sind wir plötzlich inmitten der Häuser von D s c h e r k u n d o.

1) Als ich zwei Tage darauf nach dem Maultier suchen ließ war die Filzdecke entf ernt, das Tier tot. Man legte mir zum Beweis seine langen grauen Ohren vor.

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