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0178 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 178 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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kommneten mich sechs Schen si-Chinesen, Kaufleute, die der Moschushandel

hierher verschlagen hatte. Man begrüßte sich wie Landsleute, wie Europäer,

die sich weit im Inneren Chinas begegneten. Die Chinesen sprachen mit der

höchsten Verachtung von dem wilden dummen Barbarenvolk, in das uns

das Schicksal geführt habe , und waren begierig , etwas von der Welt

draußen, von China, von Hsi fling bis hinab nach dem Kulturplatz Peking und

Schang hai zu hören. Sie blieben etwa zwei Stunden und man gelobte sich, im

Bedarfsfalle einander beizustehen. Alle sechs Chinesen trugen für den Besuch

das kleine schwarze Chinesenkäppchen mit dem roten Schnurknopf auf dem

Scheitel, auch hatten sie ihre blauen langen Baumwollkleider aus den Kisten

geholt. Und nicht mit leeren Händen waren sie gekommen. Ihrem Besuche

sandten sie ihre roten Visitenkarten voraus und jeder händigte mir nach der

Begrüßung und Vorstellung ein Päckchen Yün nan-Zucker aus. Es waren

zumeist intelligente und nicht engsichtige Leute, die schon vieles durchgemacht

hatten. Unsere Unterhaltung war darum recht angeregt, so daß es, bis sie

sich auf den Heimweg begaben, dunkel geworden war. Als ich dann auf die

Dachterrasse vor meiner Wohnung hinaustrat, stieg da und dort, vom Mond-

licht beleuchtet, eine Rauchsäule senkrecht gen Himmel, ein still glimmendes,

wohlriechendes Rauchopfer für die Götter schwelte auf den Dachaltären; die

wirren Gassen zu meinen Füßen aber, die den Berghang hinabstiegen, waren

schon alle leer und nirgend war mehr ein helles Licht zu sehen. Vom Kloster

drüben auf dem Berg schmetterten Hörner schwermütige Töne durchs Tal.

Aus den Nachbarhäusern vernahm ich lange die Abendandacht der Bauern,

Männerbaß vermischt mit sonoren Frauenstimmen, forte bald, bald piano und

leise verklingend. Eine tief religiöse und zugleich melancholische Stimmung

wollte sich in jedes Herz schleichen. — Nach der Andacht legen sich Dscherku

ndos Bewohner bald zum Schlafen nieder. Sie erheben sich auch mit der Sonne

und beginnen ihren Tag , indem sie harzige Wacholderzweigchen in ihrem

Weihrauchöfchen entzünden.

Das Dorf oder die „Stadt" Dscherku ndo (tibet. geschrieb.: Gye rgu ndo) ist

eine Hauptetappe auf der großen Karawanenstraße, die von Ta tsien lu in einem

nach Norden ausholenden Bogen westwärts in den tibetischen Kirchenstaat Lhasa

führt und bis wenige Tagereisen vor ihrem Ziel durch Gebiete geht, die mit der

Lhasa-Regierung nichts zu tun haben wollen. Täglich sah ich auf dieser Straße

große Yakhaufen verkehren, die von Osten her chinesischen Tee, Reis, Zucker,

Seide, Baumwollstoffe, Anilinfarben und eine Menge kleiner Chinawaren, wie

Porzellanschalen, Kochgeschirre u. dgl., herbeischleppten 1). Vom Westen kamen

I

1) Der Gesamtwert des Handels auf dem Wege von Osten her beträgt jährlich etwa 550 000 Mark, hiervon kommen mehr als zwei Drittel auf den Tee. Ich fand drei verschiedene Arten Tee, die aber der Transportkosten wegen nicht sehr verschieden im Preise standen. Je eine halbe Yaklast (40 cättie) war in ein Stück roher Yakhaut gepreßt und genäht. Die Teemenge, die während meines Besuches täglich an Dscherku vorbeigetragen wurde, berechnete ich auf 4000 bis 5000 kg, wozu 70 bis 80 Ochsen nötig sind. Dabei ließ ich mir erzählen, daß wegen des Krieges bei Li tang der Handel mit Se tschuan sehr darniederliege. Se tschuan-Reis war nur in geringer Menge angekommen und kostete 19 bis 20 Rupien die halbe Last (= 40 cättie), während dasselbe Gewicht Kan tschou-Reis, der aus Kan su über Hsi ning gebracht wird, nur 15 Rupien kostete. Brauner Zucker kostete eine Rupie das Pfund. Er wird aus Se tschuan und Yün nan hierher gebracht. Auch Salz ist ziemlich teuer • an seiner Statt wird vielfach Salpeter

in den Tee geworfen.

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