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0186 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 186 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Chinesen zur Aburteilung ausliefern mußten. Meist hatten sich diese gegen

chinesische Händler vergangen.

Bei Diebereien außerhalb des eigenen Stammes nimmt jeder Be hu auch im Yü schu seine Leute so weit, wie es seine Macht zuläßt, in Schutz. Raub an Fremden und Nachbarn gilt als gerechtfertigte Bereicherung des eigenen Stammes und Geschlechts. Werden fremde Räuber abgefaßt, so werden sie nur bis auf die Haut ausgezogen, aber nicht absichtlich getötet oder verstümmelt. Wird bei einem Raubanfall ein Mann getötet, so zieht in der Regel der ganze Stamm mit dem Be hu an der Spitze ins Feld, um Blutrache zu nehmen oder Blutgeld zu erzwingen. Mancher Be hu in Dya de ist auch selbst ein passionierter Räuberhauptmann, der kein größeres Vergnügen kennt, als fremden Kaufleuten aufzulauern und Streifzüge in die Nachbarländer anzuführen. Wenn immer es bei solchen Überfällen Tote gibt, bedeutet dies einen Rachekrieg, der jahrelang die Stämme in Atem halten kann, bis endlich der eine der beiden am Siege verzweifelt und ein Vermittler Glück hat, oder die Verluste auf beiden Seiten zufällig gleich geworden sind. Infolge eines derartigen Raubzuges war vor einigen Jahrzehnten ein langwieriger Krieg zwischen Tsawu und Deda ausgebrochen, der beide Teile unmenschlich viel Gut und Blut gekostet hat und währenddessen die Deda einmal bis vor Dscherku gerückt und nahe daran waren, das Kloster anzuzünden.

Zu den wichtigeren politischen Fehden jener Gegend gehört der Versuch der Herren des Labrang gomba-Gebiets1), während der großen Mohammedaner-rebellion der 1860er Jahre in den Besitz des Yü schu zu gelangen. Der Hsi Hinger Ya men hatte damals eine Abschlagszahlung angenommen und gewissermaßen sein Anrecht auf K`am verkauft. Die Amdo-Tibeter und -Mongolen von Labrang waren hierauf in hellen Haufen über den Yang tse kiang gezogen, wurden aber unweit westlich von Dscherku ndo in ihren Feldbefestigungen von den vereinigten K` amba bestürmt, besiegt und heimgejagt, so daß sie wegen ihrer Verluste noch heute auf Blutrache sinnen.

Zwei Tage nach meiner Ankunft in Dscherku ndo fand ein gutes Stündchen Reitens weiter unten im Tal eine große Messe statt, zu der aus allen Schluchten, von allen Stämmen das Volk zusammenlief. Meine Chinesen nannten den Platz „Mani tsch wan". Ein kleines Dorf voll armer Teufel hat sich dort neben einem Riesenhaufen Steinplatten angebaut. Wir ritten dorthin in der breiten Talsohle, an der Klosterburg vorüber und an dem klaren gurgelnden Wasser des Dscherku tschü entlang, der in 10 m Breite die baumlose Gegend durchfließt. Von ferne schon sahen wir viele Männer, Frauen und Kinder um eine hellfarbene Steinmauer rennen , als ob sie besessen wären. Immer ging es rechts herum, ohne Aufhören, ohne Ende wie ein Paternosterwerk (Tafel XXVII ). Jedes hielt seinen Rosenkranz in den Händen und jedes betete laut. Die Steinmauer ist 31/2 m hoch und oben gekrönt von „zehntausend" Gebetflaggen. Jeder

einzelne Stein dieser Mauer trägt mit erhabener Schrift eingemeißelt einen Spruch oder ein Buddhabild, meist natürlich die Worte : „om mani padme hung",

„o a hung" oder „om batschra sa ta hung". Die Mauer zieht sich ganz massiv und in einer Breite von 20 m dem Fluß entlang von Ost nach West, und um sie herum läuft ein breiter Weg für die vielen Betenden. Ich brauchte auf diesem

1) Siehe S. 292.

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