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0189 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 189 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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hinausschmetterten, da — da wälzt sich plötzlich ein Reiterschwarm um eine Felsecke und sechzig Mann — eine volle Schwadron — ergießt sich über mich. Meine Pistole will ich herausreißen, da steht einer vor mir und streckt mir seine Lanze ins Gesicht, als wollte er mir in den Nasenlöchern stochern oder die Zähne putzen, ein barscher Kerl auf breitbrüstigem Schimmel, mit großen schwarzen Tupfen ein langhaariges Leopardenfell um den Hals, das ihn noch tierischer färbte, und grob und rauh brummt er mich an: „Was hast du Russe hier verloren? Diesen Weg bist du vorher nicht gekommen und darfst du nicht begehen. Es ist heiliges ,Bod yül` (Tibeterland). Dreh um! Mach, daß du nach Dscherku zurückkommst."

Der Reiterhaufen drängte mich von den Lasttieren ab. Ich saß allein auf meinem Gaul inmitten der speerstarrenden Horde, die juchzte und brüllte und sich gleich so nahe an mich herandrängte, daß ich links und rechts nicht bloß die warmen Pferdeleiber, sondern die nackten Knie fühlte. Breite gelbe Zahnschaufeln bleckten so höhnisch grinsend in mein Gesicht, daß ich vor Wut am liebsten um mich gehauen und geschossen hätte. Bis ich meine Leute wiedersah, hatten diese längst kehrt gemacht und trieben in der Ferne unserem Ausgangspunkt zu. Bei ihnen waren nur wenige Dutzend Reiter für notwendig gefunden worden und diese waren schon zu viel. Willig waren ihnen die Chinesen gefolgt.

Es war ein Aufgebot des Tsawu-Stammes, das ein eiliger Bote der Lama zusammengerufen hatte, um mich zu stellen und zurückzubringen. Jedes der zerstreuten Zelte, die in den oberen Teilen der Täler lagen, hatte ein bis zwei Berittene abgesandt. Der Be hu-Lama hatte seine Leute ausgezeichnet in seiner Gewalt.

Schon der Abend sah mich wieder in meinem engen Lehmstübchen, das 2 auf 3 m Bodenfläche hatte, dessen Decke so niedrig war, daß ich darin nicht aufrecht stehen konnte, dessen Boden aus lehmbestrichenem Reisigflechtwerk bei jedem Tritt sich bog und durchzubrechen drohte. Wie ein Gefangener betrachtete ich durch die eine winzige Luke in der dicken Steinmauer meines Hausturms die wirren Gassen von Dscherku ndo unter mir. Ich beneidete die Männer und die Frauen auf den flachen, staubigen Dächern, die da ohne Unterlaß ihre G-ebetmühlen in der Hand schwangen, aber frei waren, in Tibet herumzureisen, wo sie nur wollten. Hämische Augenpaare fühlte ich von allen Seiten auf mich und mein kleines, mit dünnen dreckigen Papierfetzen beklebtes Fensterehen geriehtet , wo einer saß , der neue Pläne schmiedete. Mitternacht war

längst vorüber, als meine Kerze verlosch.

Nach dem mißglückten Versuch versprach mir der Dorfälteste, mir wieder Lebensmittel zu verkaufen, und langsam gestaltete sich das Verhältnis zu den Einheimischen besser. Der Be hu ließ sagen, ich solle bis zur Rückkehr des Tung sehe im Dorf bleiben. Ich hätte doch nun selbst gesehen, wie wild die Zeltbewohner seien.

Täglich kam jetzt Besuch in meine Wohnung. Jeder Tibeter, den sein Weg in den Ort führte, um einige Bedürfnisse und sei es nur einige Neuigkeiten und Klatschereien zu erhandeln — und gerade Leute der letzteren Art gab es nicht wenige — mußte mich gesehen und mit mir zusammen Tee getrunken haben. Alte Bekannte suchten , wenn sie ankamen , zum Zeichen der Freundschaft ihre Stirn an der meinigen zu reiben! Meine Gewehre waren ihnen aber noch viel wichtiger als meine Person, und manch einer saß tagelang in der Küche

und bat und bat, ich möchte ihm meine Waffen zeigen.

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