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0192 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 192 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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fing zu trällern an. Eines der Mädchen erwiderte. Man neckte sich mit „Zangskern", mit Nomadenlyrik:

„Eine Nuß, die ich mit den Zähnen nicht zerbeißen kann,

hat für mich keinen Geschmack.

Eine Liebe, die nur kurz wie ein Se h a f b ö l l c h e n erglühen kann,

hat für mich keinen Geschmack.

Die Feuersglut eines großen trockenen B ü f f elf laden

muß die Liebe meines Schätzchens haben."

Beim Schein eines Butterlämpchens ging es so stundenlang hin und her. Und sowie man einen Laut aus der Richtung meines Zimmers hörte, tauchten die Mädchen mit dem Kopf in den weiten Pelzröcken unter und einer der eifersüchtigen Tibeter warf noch alte Schaffelle darüber.

Wie Plumpsäcke nahmen sich die Mädchen in den bis an die Waden reichenden Pelzröcken aus, die nach außen ein von Dreck und Fett starrendes Leder zeigten. Die Kopfhaare trugen sie in der Mitte gescheitelt und auf jeder Seite in sechs Zöpfchen gedreht, die hinten mit einem dreizehnten, das vom Scheitel ausging, zusammengebunden waren. Das breite Möpschengesicht paßte mit der Frisur recht gut zusammen, und manches Köpfchen wäre vielleicht gar nicht so übel gewesen, wäre es nur ein bißchen gewaschen worden und hätten seine Haare nicht allzu viele Bewohner beherbergt; als Parfüm sollte auch nicht bloß ranzige Butter verwendet werden. Aber die Tibeterin soll sich j a nicht waschen; sie wäscht sonst bloß alles Glück herunter.

Die fremden Kaufleute, Klosteragenten wie Chinesen, veranstalten in Dscherku ndo gerne Tanzfeste, wo halbe Nächte lang ein Häufchen junger Mädchen von noch lange nicht zwanzig Jahren sich in zwei Reihen gegenübersteht (Tafel XXIV). Während „die Herren" das bierähnliche Gerstengetränk „Tschang" und reichlich Schnaps trinken und auch die Mädchen tüchtig zusprechen lassen, schreiten die jungen Dinger , so leidlich sauber gewaschen und in neue , grüne und rote Kleider gesteckt , bei schrillem Pfeifenton gemessen vor- und rückwärts und singen Stunde um Stunde zweistimmig die alten eigentümlichen Lieder, deren Sinn sie oft selbst nicht mehr richtig verstehen. Zwei oder mehr Sätze dieser Lieder sind immer so vollkommen übereinstimmend gebildet, daß nur die Hauptwörter sich ändern und daß eine Art „Satzreim" herauskommt. Oft wird auch in mehreren Strophen hintereinander dasselbe Wort angewandt. Beim Tanzen geht es zwei Schritte vor und gleich wieder zurück, ein grünes Tuch wird gereicht und alsbald wieder losgelassen, und selten dreht man sich nach einer Seite, darum ist es im Grunde ein recht einförmiges Treten und Stampfen, um nicht den Rhythmus zu verlieren. Aber keiner kann sich satt sehen, und erst spät in der Nacht nimmt unter dem Einfluß des reichlich genossenen Alkohols die Schnelligkeit etwas zu und jubeln und klatschen alle Zuschauer mit.

Im Dorfe Dscherku leben jedenfalls viel mehr Frauen als Männer. Darum bekommen die Hsi Hinger Soldaten leicht ein Mädchen, das sie am Ende ihres Dienstjahres in die Heimat mitnehmen, wie es auch einst mein Da Tschang gehalten hatte. So waren in der Stadt Hsi Hing fu vor meinem letzten Aufbruch über zwanzig solcher IV am-Töchter beisammen. Alle aber fühlten sich unglücklich und litten unter Heimweh. Die Lebensweise in der ummauerten Stadt behagt nie den an Freiheit und an ein Leben mit Pferden und Rindern Gewöhnten. Viele von ihnen waren zum Tschendu-Be hu geflüchtet, als er den

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