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Meine Tibetreise : vol.2 |
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7.
weit bekannten Lama im Deda-Land, der sich von der Welt zurückgezogen
und in einer Höhle hatte einmauern lassen. Lange Schnüre mit Wollflöckchen
daran, Tausende von bedruckten Wimpeln, im Winde tanzende Schafkiefer,
klappernde Pferdekinnbacken, Steine und Felsen, alles über und über mit
Sprüchen bedruckt und beschrieben, wiesen uns einen steilen Pfad hinauf zu
einer Grotte und zu einer PTauer, hinter der der sonderbare Heilige wohnte.
Einige Weiber waren vor uns schon angekommen und belagerten im dunklen
Hintergrund der Grotte eine verschlossene Luke. Sie hatten Butter und Tsamba
mitgebracht, die sie ihrem Einsiedler zugedacht hatten. Spinnend saßen sie
an der Erde und wiederholten ihre Gebetsformel halblaut singend vor sich hin.
Eine hatte ihr Ohr an den Laden der Luke gedrückt und horchte mit gottes-
fürchtigem Blick auf einen hohl und gespenstig tönenden Gesang , der aus
dem Inneren, von Zeit zu Zeit etwas anschwellend, zu uns herausdrang. „Seit
zwei Tagen," erzählten die Weiber, „hat der Lama nicht mehr den Laden ge-
öffnet. Heute wird er wohl aufmachen." Klopfen nützte aber auch heute nichts
und wir mußten uns mit den Weibern zusammen lange Stunden gedulden.
Schon besprach ich etwas ärgerlich die Umkehr, als doch endlich der Bohlen-
laden aufklappte und, die ganze winzige Öffnung ausfüllend, ein fahler Kopf
erschien. Verfilzte lange, weißliche Haare umrahmten ein verhutzeltes Aszeten-
gesicht, in dem mit schwarzem Schmutz tiefe Rillen und Furchen auf Stirn
und Wangen dick verklebt waren. Tiefliegende hohle Augen schienen einen
Augenblick gierig nach dem Licht und dem Leben zu lechzen, dann verschwand
das grausige Bild des Halbtodes und machte einer noch dürreren Knochenhand
Platz, die zitternd nach den dargebrachten Gaben griff. Muffige Kellerluft
und schlechte Ausdünstungen drangen aus dem Inneren, in dem ein Butter-
lampendocht schwelte.
Des einen Weibes Kind war erkrankt. „Wird mein Sohn wieder gesund
werden?" fragte sie. Langsam brachte der Greis neun grüne Würfel auf den
Fenstersims und übergab die Frage dem Schicksal der Würfel.
„Du mußt die Dschoma (sGrolma) im Kloster Tschuschi bitten," war die
Antwort.
„Werde ich mein Pferd gut verkaufen, wenn ich es morgen verkaufe?" fragte
die zweite. „Nützt es mir, wenn ich eine Wallfahrt nach Taschi gomba mache?"
meinte eine dritte.
Meinen Begleitern, die seinen Segen verlangten, versprach der Anachoret
eine gute Heimkehr und Reichtum, wenn sie sich mit den Göttern gut stellten.
Dann klappte der Laden, so plötzlich wie er aufgegangen war, wieder zu, und
gleich ging das Rezitieren weiter. In jungen Jahren hatte dieser Scholastiker
in Luft und Licht seine theologische Philosophie durchaus studiert, mit heißem
Bemühen. Jetzt war er von allem Weltlichen abgeschlossen, jetzt wiederholte
er, was er draußen gelernt und drang bis auf den Grund der Dinge ein, keiner
konnte ihn mehr in seiner Meditation stören ; er mußte bei der nächsten
Geburt in einer besseren Welt wiedergeboren werden.
Ein anderer Klausner oder „Tschamba" Lama wohnte im Westen von Dscherku ndo. Der hatte sich nicht vermauern lassen, war aber wegen seines großen Wissens nicht weniger angesehen. Er war „Gechi", ja er hatte nach langem Studieren noch andere höhere Doktorgrade der lamaistischen Philosophie und Theologie in den Klöstern von Lhasa erhalten. Er war darum der Stolz der Familie geworden und seine Verwandten hatten ihm etwas abseits von der Straße ein Häuschen errichtet. Jedermann, der dort
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