National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0195 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 195 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000264
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

 

vorbeikam, stieg vom Pferd und machte seinen Ko tou davor, und die große Straße machte seinetwegen einen weiten Bogen. Er empfing selten Gäste und nie eine Frau. Nie verließ er sein Heim und nur mittags trat er vor die Türe. Wenn aber der säuberlich gekleidete, schlanke Mann mit den klugen, mild blickenden Augen in der Tür zu sehen war, flatterten von allen Seiten die Vögel auf ihn zu, setzten sich auf seine Hände und Schultern und pickten die Körner aus seiner Hand. Er war der liebe Freund aller Menschen und Tiere.

In meinem Hause in Dscherku ndo lag auf der anderen Seite meiner Dachterrasse ein Stübchen, das zugleich als Küche diente und das eine einsame Frau oder ein Fräulein bewohnte. Sie brachte, während ich ihr Wohnnachbar war, ihre Tage mit Spinnen und Weben im Freien zu, saß immer fleißig an einer windgeschützten Mauer in der wärmenden Sonne oder grub auf den Bergen nach Dschuma (Potentilla). Immer war sie geschäftig, und ihr Zimmerchen sah ganz altjüngferlich aus, so aufgeräumt, so sauber und geleckt war es, daß ich mich jedesmal in die Heimat zurückversetzt wähnte, wenn ich einmal hineingucken durfte. Über dem tischförmigen Herde hingen blitzblank funkelnde Messinglöffel, -schapfen und Kasserollen, schön nach der Größe ausgerichtet. Auf einer Trubenkiste an der Rückwand lagen in Seide gewickelte und sichtlich liebevoll gepflegte Gebetblätter. In Nischen der Lehmmauer standen die Holzschalen und die bunt bemalten Holzteller für Ehrengäste. Dort hingen auch getrocknete Hammelskeulen und war ihr Vorrat an Gerste aufbewahrt. Der Bettplatz war ein winziges Fell einer Antilope, neben dem bei Tag einige Pelzmäntel zum Zudecken aufgerollt lagen; Spindeln, Weberschiffchen, Garn, rohe Wolle und schon verarbeiteter Stoff füllten eine ganze Ecke. Das Licht aber fiel durch ein viereckiges Loch in der Decke. An Fenstern gab's nur eine handbreite Schießscharte.

Mein Aufenthalt in Dscherku fiel in die ersten Monate nach dem tibetischen Neujahr, darum sah ich in dieser Wohnung noch die Zeichnungen, die um die tibetische Jahreswende über den Herd an die Wand gemalt werden. Von der geschwärzten Lehmmauer hob sich weiß, mit weißem Weizenmehlkleister aufgetragen, ein Ornament in der Art unseres Mäander ab, neben dem man aus demselben Material runde Ringfiguren und eine Zeichnung, den Umrissen einer großen Vase nicht unähnlich, erkennen konnte. In manchen Wohnungen, wie z. B. bei meinem Hauswirt, war außerdem noch das Hakenkreuz mit Weizenmehl auf die Wand gemalt und die Figur des laufenden Hundes wurde mir erklärt als aus einer Reihe von Hakenkreuzen entstanden. Über die Bedeutung dieser alten Sitte und der Ornamente aber, die noch aus vorbuddhistischer Zeit zu stammen scheinen, auch über die Vorstellungen, die die Tibeter sich dabei machen, konnte ich leider nichts Neues in Erfahrung bringen. So weit drang ich nicht ins Vertrauen der Leute. Die meisten machen wohl auch die Zeichen, ohne viel zu denken, an ihre Hauswände, nur weil „man" sie eben macht.

Die Tage in Dscherku, die ich eng zwischen den eigenartigen Menschen verlebte, verflogen mir rasch. Jeder Besucher und Bettler (Tafel XXXIV), jeglicher kläglich um eine Handvoll Tsamba stammelnde Lamajunge trug mir Interessantes zu (Tafel XV)1). Der fahrende Gaukler, der blind oder knie-

1) Hunderte und Aberhunderte junger Pilger und Mönchsnovizen ziehen jährlich zu zweien und dreien von der Mongolei und von Amdo über Labrang gomba und Rardscha gomba und durch das Land der ngGolokhs zu Fuß nach Lhasa. Ein Paar Lederstiefel , die sie unterwegs meist schonen und ausziehen , eine Filzkapotte als

157