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0209 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 209 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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und ein Passagier. Der Bootsmann arbeitete sich mit einem schmalen kurzen Ruderlöffel durch die Wellen. Jedesmal wurden die Boote weit abgetrieben und tanzten wie Seifenblasen, sich drehend und schaukelnd, auf der Oberfläche des Stromes hinab. Drüben angekommen, hob der Fahrer seine Nußschale vorsichtig aus dem Wasser, stülpte sie sich auf den Rücken und spazierte damit das während der Fahrt verlorene Stück am Ufer zurück aufwärts. Wenn die Boote eine Weile im Wasser gelegen haben, werden sie immer wieder vorsichtig an der Luft getrocknet. Nur zwei Männer und eine Frau waren bei dem Fährgeschäft tätig. Die Frau verstand es wie ihre beiden Männer, halb aus der Nuß-schale herauszuhängen und mit kräftigen Bewegungen des Rührlöffels aus der Gegenströmung des Ufers abzustoßen und den richtigen Stromstrich zu erwischen. Sie war noch jung und hatte hübsche Züge. Da sie ihr Gesicht aber mit der Schmutzschminke, „Deidia" genannt, eingesalbt hatte, sah sie recht abstoßend aus. Sie hatte diese Schminke nicht etwa wegen der Lama gebraucht, um nicht die frommen Zölibatäre in Versuchung zu führen, sondern um beim Geschäft ihren Teint zu schonen. So wenigstens behauptete sie selbst, als ich mit hochgezogenen Knien oben auf meinen Lasten in ihrem Boote saß und von ihr über den großen Strom „gezwirbelt" wurde. Drüben verstand sie es ebenso meisterhaft, trotz braunschwarzer Schminke, mit einem Priester, der über den Fluß setzen wollte, am Ufer sitzend, ein Viertelstündchen zu schäkern.

Für das Übersetzen hatte ich den wahrlich anständigen Preis von 121/2 Rupien zu bezahlen. Dabei mußten die Pferde und Maultiere frei schwimmend das andere Ufer erreichen und nur zwei Maultiere, die mir zu schwach erschienen, wurden an eines der Coracle angebunden und am Kopfe hinübergezogen. Das eine war trotzdem wegen des eiskalten Wassers ohnmächtig geworden, als es das jenseitige Ufer erreichte.

Die Freischwimmer unter den Tieren wurden zusammen in den Fluß getrieben, aber dreimal wurden sie gerade in der Mitte von Angst gepackt und wollten wieder zurückkehren. Das Übersetzen gestaltete sich dadurch sehr aufregend unter viel Geschrei, Steinwerfen und Schießen. Als wir glücklich drüben waren, fing es zu allem hin noch zu schneien an. Alle Tiere standen völlig abgespannt, triefend, zitternd, mit eingeklemmtem Schwanz und hängendem Kopf im Winde. Das vorgehaltene Futter blieb unberührt; weit und breit war kein schützendes Obdach. Bis die Tiere sich erholt hatten und wir das halbtote Maultier aus dem Wasser gezogen und mit Branntwein ins Leben zurückgerufen hatten, war es so spät geworden, daß es an diesem Tage nur noch bis ins nächste Dorf reichte, wo ich die zwei Maultiere gegen ein Pferd eintauschte.

In dem Dörfchen Sombarwa war ein begüterter Mann, der weit — bis Kalkutta und Peking — gereist war und geschmackvoll und unzerrissen gekleidet ging. Bei dem anhaltenden Schneetreiben waren wir ihm sehr dankbar, daß er uns in seinem warmen Stalle aufnahm. Er fragte nach dem Fremden, den der Na]. tsienKönig seines Landes verwiesen habe und wann der komme. „Der ,Bon` des Tales," meinte er, „wolle ihn nicht durchlassen. Die Fährleute dürfen ihn nicht über den Fluß herüberbringen." Ich war, als ich dies erfuhr, froh, daß ich in Dscherku ndo europäische Kleidung getragen hatte, so daß jetzt meine Perücke, mein dunkler Hautanstrich und der zerrissene und schmierige Pelz, den ich wieder angelegt hatte, in schärfstem Kontrast dazu standen. Die Kleidung schien für die Leute so anheimelnd zu sein, daß mich keiner genauer betrachtete

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