National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0218 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 218 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000264
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

 

 

 

     
   

4

Zum Muri la geht es von Tschoktsen gomba durch ein muldiges Tal, das mit Buschwald von immer noch über I. m Höhe bestockt ist. Später steigt man über einen kahlen, kilometerbreiten Moränenhang zum PaBobo hinauf. Oben steckt jeder Reisende eine neue Fahne oder einen neuen Holzspeer in ,das Obo und umkreist mit lauten „o! Lhadialo ! o! o ! Lhadialo ! o! o!" den Paßfetisch. Es hilft dies sicher gegen Bergkrankheiten jeder Art und gegen Räuber. Auf dem Passe lag knietiefer Schnee. Die Berge im Süden überragten uns in Dolomitenformen noch um 600 und teilweise 1000 m. Von Süden scheint auch die große Moränenmasse gekommen zu sein, die die heutige Paßhöhe des Muri la

gebildet hat.

Bald hinter dem Paß ließ ich Lager schlagen und die Horba-Händler allein weitereilen. Sie ritten noch 25 km an diesem Tage; denn sie fürchteten auch hier für ihre Habseligkeiten, obwohl sie doch recht gut bewaffnet waren. Jeder Mann hatte eine Gabelflinte auf dem Buckel, an der Seite ein großes, breites und im Gürtel ein kurzes, spitzes Schwert. Die meisten trugen lange Lanzen, deren Vorderteil durch ein spiralig aufgenageltes Eisenband gegen Parierhiebe geschützt war und last not least pendelte vielen rechts am Sattel noch eine Bogentasche mit einem mandschurischen Bogen und ein mit Pfeilen gespickter Köcher. Weil nämlich die Luntenflinte bei pötzlichen Überfällen in den dichten Wäldern der Täler Osttibets eine sehr zweifelhafte Waffe darstellt, so halten viele K`amba an der uralten Bewaffnung fest. Mit Pfeil und Bogen lassen sich jederzeit rasch hintereinander einige Schüsse gegen den Gegner abgeben Man braucht dazu nicht erst mit Hilfe von Feuerstein, Zunder und Feuerstahl die Flintenlunte zu entzünden, braucht nicht nach jedem Schuß mit dem langen, ungefügen Ladestock zu stopfen und auch nicht darauf zu achten, daß die Flintenpfanne neues trockenes Pulver erhalten hat.

Mit der Aufzählung der Waffen ist freilich noch lange nicht alles beschriebex, was an einem tibetischen Geschäftsmann hängt, wenn er eine größere Tour unternimmt. Ist er einigermaßen bei Kasse, so fällt außer einigen kleineren Amuletten, die ja von jedermann stets am Halse getragen werden und in Lederoder vielleicht auch in Silber- und Goldhüllen verschlossen sind, am meisten ein Metallkästchen von etwa 20 X 15 X 8 cm Größe auf, das an einem silbergebuckelten und quer über die Brust laufenden Wehrgehänge getragen wird (s. Bd. I, Titelbild und Tafel XLI). Es enthält außer Beschwörungen und von Heiligen und Inkarnationen angehauchten Seidentüchlein den Leibgott, ein feuervergoldetes Bronzebild des besonderen Schutzheiligen, dem der Besitzer zugetan ist. Ihn wird unterwegs im Quartier oder Zelt jeden Tag Weihrauch geopfert. AuBen am Lendengurt aber baumeln dem Reisenden das kräftige Eßmesser, die Feuersteintasche, ein Lederportemonnaie, eine Nadeltasche, ein Beutel für den Eßnapf, die Kugeltasche, die aus Horn gefertigten Pulverbehälter für je einen Schuß und endlich noch ein Hörnchen für das Pfannenpulver der Flinte. Auch das Pferd hat verschiedene Anhängsel. In erster Linie einige kleine Beutel aus Leder und rotem Wollzeug, in die vom Priester geweihte Gerste gewickelt ist. In die Mähne sind rote Bänder geflochten und am Hals hängt eine rote oder schwarze Quaste und ein silbern klingendes Glöckchen.

Auf dem südöstlichen Abfall des Muri la ist die Böschung auch nur im obersten Teile steil (Tafel XXXIII). 6 km unterhalb des Passes liegt der See Yü lung ts`o. Er hat etwa 5 km Umfang und verdankt seine Bildung den heute

172