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0220 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 220 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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von Norden ber an den hohen Urgesteinswall vor Urzeiten herangeschobenen Sandsteine und Kalke mit Granitblöcken überflutet haben. Das Wärmemaximum war an diesem Tage + 16,5 O; das Minimumthermometer zeigte für die Nacht — 40,

Um Mittag des nächsten Tages ritten wir an einer pittoresken Einsiedelei, Tschora yunka, vorüber, die auf einer Kalkklippe liegt und von vierzehn Nonnen, „ani", bewohnt ist. Ein redseliger Alter berichtete uns kopfschüttelnd von der Verrücktheit der Weiber". Seit fünf Jahren wohne auf dem Felsen eine hübsche Jungfrau, die die besten Heiratspartien ausschlage, weil sie ihre Zeit nur mit Beten und Gottdienen zubringen wolle. In ihrem Ehrgeiz, es den Priestern männlichen Geschlechts gleich zu tun, habe sie jedem männlichen Wesen ver-

boten, sich ihrer Zelle zu nähern.

In 3700 m Höhe stellten sich allmählich Felder ein. Das erste Dorf lag 3600 m hoch. Die große Straße führte uns mitten hindurch. Die Häuser, alle zweistockig und mit flachen Dächern, standen nicht sehr eng zusammengedrängt. Da ich aus der Lektüre von W. W. Rockhills Reise, der 1889 hier durchkam, wußte, daß die Einwohner in dieser Gegend besonders fremdenfeindlich sich gebärden, so ritten wir ziemlich eilig durch die erste Ansiedlung, die fünfundzwanzig Häuser zählte, kaum daß Da Tschang auf die Fragen nach „woher?" und „wohin?" eine kurze alltägliche Lüge zur Antwort gab.

Das Dorf liegt am Anfang einer großen und breiten Ebene, die sich von hier weit nach Osten hinzieht, und ist der Sitz eines Gemeindehäuptlings. Es gehört zum Königreich Dergi. Unweit, im Süden, mündet ein großer Bach aus einer stattlichen Schlucht in die Ebene ein. Ein Weg von Dergi gon tschen folgt dem Bache ganz unten im Grunde. Ich überschritt diesen Tso tsa tschü späterhin auf einer Brücke und sah Dutzende von Wassermühlen mit großen Gebetstrommeln von 1 bis 3 m Durchmesser, die so schrill quiekten, daß wir sie noch weithin hörten (Tafel XL). Die Ebene vor uns war bedeckt von Feldern, und an allen Ecken und Enden tauchten Häusergruppen auf. An den Bergabhängen im Norden bemerkte ich größere Anhäufungen von Löß, aber auch zahllose Felderterrassen, die in den oberen Teilen unbestellt und verlassen waren. In der Ebene ist zweijährige Wirtschaft. Es werden kurzhaarige gelbe Rinder neben Yakbastarden gehalten. Dem, der, wie ich, aus dem Innern kommt, sind in den Dörfern die vielen braunen und gelblichen, langhaarigen Schweine sehr auffallend.

Auf einer niederen Bodenanschwellung, wohl einer alten Moränenzunge — ringsum sind erratische Blöcke verstreut — erhebt sich an der Straße mitten in der Ebene das große Datschi gomba. Es hat ein anderes Aussehen, als die heiligen Stätten weiter im Westen. Die Wohnhäuser der Mönche, in der Hauptsache aus Holzbalken gezimmert, stehen dicht gedrängt um die Kulthäuser mit den goldschimmernden Emblemen und den goldgelben Dächern'). Die Lesehalle und der Golddachtempel waren nach Ostsüdosten orientiert. Ringsum lief eine hohe, weiße Mauer. Im Süden war ein festes Tor, und in der Nordwest-und Südostecke stand je ein schönes Tschorten, am Bachrand daneben aber lag ein kleiner Pappelhain, in dem eine Schar junger Dschraba (noch nicht vollordinierte Mönche) mit einem großen Lederball spielte. Einer warf den Ball

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1) Nur da, wo Götter und Götterbilder dauernd thronen, verlangt der Tibeter ein schräges, ein chinesisches Dach, um schon dadurch zu verhindern, daß ein Mensch und Unheiliger mit seinen FüBen über den Göttern herumtrampelt.

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