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Meine Tibetreise : vol.2 |
Wir schlugen nicht fern von der Furt am linken Ufer des Flusses das Lager
auf. Da die Dschraba uns nicht gefolgt waren, so fand sich dort leicht ein Boots-
mann, der mit seinem Lederboot nach der verlorenen Last fahnden wollte. Als
der letzte Dschraba drüben verschwunden war, fürchteten auch die Schiffer
dort nichts mehr und suchten mit Stangen und Haken nach den verlorenen
Kisten — doch vergebens. Der Strom war zu reißend und das Wasser infolge
des Regens der letzten Nacht zu trüb. Der Dsa tschü gab nichts mehr heraus.
Ich blieb bis zum Morgen des 14. April an dem Platz. Wir lagen ganz dicht
an der Hauptstraße. Vom frühesten Morgen an zogen die Karawanen an mir
vorüber, bald Yaktrupps, die in dicken Klumpen und mit den Hörnern um sich
stoßend vorwärtstrampelten, bald endlose Maulesel- und auch Eselzüge, immer
einer hinter dem anderen und geordnet dem Leittier nachzackelnd. Alle Ein-
hufer gingen auch hier ohne Eisen und nicht einmal vorne beschlagen.
Erstaunlich viele Lamen kamen vorbei. Die meisten gingen zu Fuß. Nur
diejenigen mit dem „scha ser", dem Goldhut, auf dem Kopf saßen hoch und
stolz zu Roß. Eine Gesellschaft von fünfundzwanzig Stück Akka besuchte ein
größeres Landhaus, das nicht weit von meinem Zelt stand, und hielt daselbst
einen großen Gottesdienst mit Trommeln und Trompeten ab, der erst spät in
der Nacht endigte. Nie mehr habe ich so viele Nonnen zu Gesicht bekommen
wie an diesem Tage. Sie gingen wie die Mönche in der Regel zu Fuß, denn sie
waren wie jene ortsansässig und hatten nur zum Zweck der Seelensorge an
Kranken oder Toten und zur Bekämpfung der Gespenster ihre Klosterpforten
verlassen. Ihre Kleidung glich so täuschend der der Mönche, daß ich viele
Nonnen nur an der Stimme als solche erkannte. Sie trugen auf der Straße
den dunkelroten Unterrock (mtang gos), die gleichfalls dunkelrote Wollweste
(btschong gag), die lange Priestertoga, san (gzan), sie hatten auch die Haare
rasiert und zeichneten sich im übrigen nur durch etwas größere Reinlichkeit
vor ihren männlichen Kollegen aus, wie sie auch auffallend viel säuberer und
hellhäutiger aussahen als die Laienfrauen.
Während des ganzen Tages wurden wir von Bettlern, Pilgern, Nonnen und
Mönchen überlaufen, und da auch respektable Leute unter den Besuchern
waren, brodelte unser Teekessel ohne Unterlaß. Durch diese Gäste erfuhren wir,
daß wir nur wenige Li vom Hauptort der Horba-Staaten, Hor Gantse, entfernt
waren. Die Kunde vom Kommen des „Pelang" war aber mittlerweile auch bis
dorthin und in die Klöster gedrungen, und am zweiten Abend kam ein Mann
in roter Reitjacke, mit zwei Pistolen im Gürtel und als Zeichen seiner hohen
Würde mit zwei feuerroten Quasten an der Brust des Pferdes, auf mich zu-
geritten, schickte mir seine rote Visitenkarte ins Zelt und stellte sich mir mit
einem „guei", mit dem mandschurischen Gruße, als Lu ming yang Tsung ye, den
chinesischen Platzleutnant von Hor Gantse go vor. Er besuchte mich in Be-
gleitung seines Dolmetschers und zweier berittener Soldaten von der Se tschuan-er
Ebene, um mich bei allen guten Regungen meines Herzens zu beschwören,
nicht nach der Stadt Gantse zu gehen. Die Mönche sollten bereits einen Auf-
lauf gemacht und beschlossen haben, mit Gewalt mich zu vertreiben. Lu Tsung
ye's Plan war darum, mich bei Nacht und Nebel am Kloster vorbeizuführen.
Als ich hierauf nicht sogleich einging, stand er am nächsten Morgen schon vor
Sonnenaufgang wieder an meiner Zelttür und brachte diesmal ein offenes
chinesisches Telegramm der Pekinger Deutschen Gesandtschaft mit. Es wurde
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