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0227 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 227 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Wir schlugen nicht fern von der Furt am linken Ufer des Flusses das Lager

auf. Da die Dschraba uns nicht gefolgt waren, so fand sich dort leicht ein Boots-

mann, der mit seinem Lederboot nach der verlorenen Last fahnden wollte. Als

der letzte Dschraba drüben verschwunden war, fürchteten auch die Schiffer

dort nichts mehr und suchten mit Stangen und Haken nach den verlorenen

Kisten — doch vergebens. Der Strom war zu reißend und das Wasser infolge

des Regens der letzten Nacht zu trüb. Der Dsa tschü gab nichts mehr heraus.

Ich blieb bis zum Morgen des 14. April an dem Platz. Wir lagen ganz dicht

an der Hauptstraße. Vom frühesten Morgen an zogen die Karawanen an mir

vorüber, bald Yaktrupps, die in dicken Klumpen und mit den Hörnern um sich

stoßend vorwärtstrampelten, bald endlose Maulesel- und auch Eselzüge, immer

einer hinter dem anderen und geordnet dem Leittier nachzackelnd. Alle Ein-

hufer gingen auch hier ohne Eisen und nicht einmal vorne beschlagen.

Erstaunlich viele Lamen kamen vorbei. Die meisten gingen zu Fuß. Nur

diejenigen mit dem „scha ser", dem Goldhut, auf dem Kopf saßen hoch und

stolz zu Roß. Eine Gesellschaft von fünfundzwanzig Stück Akka besuchte ein

größeres Landhaus, das nicht weit von meinem Zelt stand, und hielt daselbst

einen großen Gottesdienst mit Trommeln und Trompeten ab, der erst spät in

der Nacht endigte. Nie mehr habe ich so viele Nonnen zu Gesicht bekommen

wie an diesem Tage. Sie gingen wie die Mönche in der Regel zu Fuß, denn sie

waren wie jene ortsansässig und hatten nur zum Zweck der Seelensorge an

Kranken oder Toten und zur Bekämpfung der Gespenster ihre Klosterpforten

verlassen. Ihre Kleidung glich so täuschend der der Mönche, daß ich viele

Nonnen nur an der Stimme als solche erkannte. Sie trugen auf der Straße

den dunkelroten Unterrock (mtang gos), die gleichfalls dunkelrote Wollweste

(btschong gag), die lange Priestertoga, san (gzan), sie hatten auch die Haare

rasiert und zeichneten sich im übrigen nur durch etwas größere Reinlichkeit

vor ihren männlichen Kollegen aus, wie sie auch auffallend viel säuberer und

hellhäutiger aussahen als die Laienfrauen.

Während des ganzen Tages wurden wir von Bettlern, Pilgern, Nonnen und

Mönchen überlaufen, und da auch respektable Leute unter den Besuchern

waren, brodelte unser Teekessel ohne Unterlaß. Durch diese Gäste erfuhren wir,

daß wir nur wenige Li vom Hauptort der Horba-Staaten, Hor Gantse, entfernt

waren. Die Kunde vom Kommen des „Pelang" war aber mittlerweile auch bis

dorthin und in die Klöster gedrungen, und am zweiten Abend kam ein Mann

in roter Reitjacke, mit zwei Pistolen im Gürtel und als Zeichen seiner hohen

Würde mit zwei feuerroten Quasten an der Brust des Pferdes, auf mich zu-

geritten, schickte mir seine rote Visitenkarte ins Zelt und stellte sich mir mit

einem „guei", mit dem mandschurischen Gruße, als Lu ming yang Tsung ye, den

chinesischen Platzleutnant von Hor Gantse go vor. Er besuchte mich in Be-

gleitung seines Dolmetschers und zweier berittener Soldaten von der Se tschuan-er

Ebene, um mich bei allen guten Regungen meines Herzens zu beschwören,

nicht nach der Stadt Gantse zu gehen. Die Mönche sollten bereits einen Auf-

lauf gemacht und beschlossen haben, mit Gewalt mich zu vertreiben. Lu Tsung

ye's Plan war darum, mich bei Nacht und Nebel am Kloster vorbeizuführen.

Als ich hierauf nicht sogleich einging, stand er am nächsten Morgen schon vor

Sonnenaufgang wieder an meiner Zelttür und brachte diesmal ein offenes

chinesisches Telegramm der Pekinger Deutschen Gesandtschaft mit. Es wurde

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