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0229 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 229 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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wohnt ein Vetter von ihr. Drüben wohnt zu gewissen Zeiten der Hutukhtu des groben Klosters Lhaba gomba," erklärte mir mein Cicerone und Leutnant, der in rührendster Weise den ganzen Tag nicht von meiner Seite wich und fast alle meine Seitensprünge begleitete. Auf einem Bergvorsprung im Osten des Tals zeigte er eine größere Lamaserei der Gelugba-Sekte, die angeblich ein chinesisches Heiligtum der Tang-Zeit gewesen und von einer der chinesischen Prinzessinnen gegründet worden war, die an einen tibetischen König verheiratet wurde. Das Bild der Prinzessin und ihres Ministers werde noch heute gezeigt und hoch verehrt, erzählte mir Lu ming yang. Ob es in Wirklichkeit nicht doch nur ein Tara-Bild und also eine der gewöhnlichen Darstellungen der Wen tscheng, der chinesischen Gemahlin des tibetischen Kaisers Srong btsan sgam bo (chines. : Tschi tsung lung tsan), der Tochter des Kaisers Tai tsung (627-650) aus der Tang-Dynastie war, sowie den Minister Gar gdon btsan darstellte, konnte ich leider nicht herausbringen. Die Heirat der Wen tscheng (Wen tschun) hatte ums Jahr 636 stattgefunden. Die Soldaten nannten sie mir Tschou tschun mang mang und behaupteten, das Bild sei das älteste, das von ihr existiere ; es trägt in der Mitte der Stirn, auf den Handflächen und in den Fußsohlen Augen 1).

Allmählich wurden die drei großen Gantse-Klöster selbst sichtbar. Sie liegen wenig mehr als 1 km im Norden von der Straße und ziehen sich amphitheatralisch an einer nach Osten und Südosten gerichteten Berglehne hinauf (Tafel XXXVIII). Ihr Name ist Tsen (?) gom und Lhaba (?) gom. Unten am Berg und dicht außerhalb von den hohen Klostermauern liegt der Marktort Gantse, der höchstens zwei- bis dreihundert Häuser umfassen kann 2). Als ich auf einem Seitensprung bis nahe an den Ort heranritt, fielen mir innerhalb der Klosterumfassung viele Hutukhtu-Häuser auf. Lu ming yang zählte mir sechzehn Inkarnationen her, die alle hier eine Residentur besitzen sollen. Unten im Dorfe aber heben sich besonders zwei Gebäudekomplexe durch ihren Umfang und ihre Vielstockigkeit heraus, der „pobrang" des Kungsar- und der „pobrang" des Mazar-Tu se, die Burgen der beiden Fürstenfamilien, die das Land hier herum beherrschen. Neben den weit und hoch am steilen Berg hinaufgreifenden Lamawohnungen nimmt sich aber alles Profane klein und höchst unwichtig aus. Schon die Bauweise zeigt, daß hier die Mönche die tatsächlichen Herren sind, und zwar ist es hier der Orden der „Tugendsamen", der Gelugba. Die Gassen scheinen alle

  1. Auf solchen Abbildungen der Tara sehen diese Augen immer schmal und geschlitzt aus, so daß sie Wundmalen der Christusbilder ähneln. — Ch. Das, Contributions an Tibet, S. 220, nennt die Wen tscheng tibetisch Hun-shiri kun-jú, Tochter des Sengétsanpo oder Löwenkönigs von China (kuii-jú = chines. kung tschu = Kaisertochter, gleichgültig von welcher der Gemahlinnen).

  2. Nach Ansicht der Einheimischen hatte hier König Gesar seine Heimat — freilich, wo in Tibet soll der nicht gewesen sein ?

B. Laufer schrieb 1901 im T'oung Pao, daß am „Ya lung, dem bekannten Nebenfluß des Yang tse Kiang", der Stammsitz der ersten tibetischen Dynastie liege. Nach den alten Quellen sind die ersten tibetischen Könige vom Ya lung nach Westen (nach Lhasa) umgezogen; man nimmt aber meist sonst an, daß das Tal des Yarlung, eines kleinen Tributärs des Brahmaputra, der Ursitz gewesen sei. Ich weiß nicht, wie sich Laufer heute zu dieser Frage stellt, jedenfalls sind in den fruchtbaren Talweitungen des osttibetischen Ya lung (Nya lung oder Dsa tschü) alle Bedingungen vorhanden, eine größere politische Macht entstehen zu lassen. Auch die Kämpfe der Macht des Gesar mit den Hor- (den Tu ku hun-)Mongolen des Nordens lassen sich hier leichter erklären.

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