National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Meine Tibetreise : vol.2 |
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Kurz nach Mittag hatten wir mit dem Leutnant und seinem Gefolge den
Ort Puilung erreicht. Ärmliche Steinhäuser, in denen Kätner wohnten, um-
gaben ein stattliches Herrenhaus. Der Platz war früher im Besitz der Mazar
Tu se gewesen und ein Vogt dieser Familie hatte hier seinen ständigen Sitz
gehabt. Im Verlauf der letzten Streitigkeiten wurde die Markung Puilung an
die Chinesen abgegeben und die Bewohner zahlen nun Kopfsteuer und einen
Zehnten an den nächsten chinesischen Mandarin. Das Herrenhaus diente nur
noch als Unterkunft für vornehme Reisende.
Es ist der Typus eines „Pobrang" von Hor. Um das ganze Anwesen läuft
eine Mauer mit einem starken Tor. Das Haus selbst ist zweistockig und hat
vier Flügel, die einen oblongen Innenhof umschließen. Das Erdgeschoß zeigt
nach außen eine massive, aus Steinstücken und Löß zusammengekittete Mauer.
Der zweite Stock, der allein Wohnräume enthält, ruht nach innen zu auf einem
Wald von Holzsäulen und ist selbst aus schweren Fichtenbalken gefügt. Das
Dach ist wie bei allen Profanbauten der Gegend horizontal und lehmgedeckt.
Der Raum zu ebener Erde dient als Stall. Von hier führt im Innern eine
bequeme Holztreppe auf einen breiten, halb offenen Umgang im zweiten Stock
mit dem Blick auf den Innenhof. Von diesem Umgang gelangt man in die
zahlreichen Wohngelasse. Schiebetüren aus dunklem Fichtenholz verbinden
einzelne Zimmer. Die getäfelten Wände und Decken der Staatszimmer zieren
Blumenranken und halbstilisierte Bilder vom Yak, von Fasanen und anderem
Jagdwild. In leuchtenden Farben heben sie sich aus dem braunroten Grunde.
Die lange Zimmerflucht steht heute größtenteils leer. Nur einige ganz
niedere Holzbänke und ein paar Schreine und bronzene Kohlenbecken bilden
das Mobiliar. Die großen Fensteröffnungen sind durch Holzladen verschlossen.
Nirgends war natürlich eine Glasscheibe zu entdecken, ja, wie weiter oben in
den Häusern von Dergi und Dscherku fehlte auch hier noch überall das
chinesische Papierfenster. Kommt ein Regenschauer, so schließt man die
Holzläden und wartet im Halbdunkel dahinter.
Von den Fenstern meines Zimmers bot sich mir eine entzückende Aussicht
auf die Zinken und Zackengrate des Ito re und heiligen Kalo re und anderer
des Tu se von Mazar, wieder heimschickte und an ihrer Stelle die Tochter des Königs Tschoskiab, eines Großen aus dem Da Kin tschuan-Tale, heimführte. Ob der erlittenen Schmach ergrimmt, rüstete sich Tschuwo zum Krieg. In letzter Stunde wurden jedoch die Herren von Tschantui, ihre Nachbarn aus dem Dsa tschü-Tale, als Schiedsrichter angerufen. Diese, die Vasallen der Lhasa-Regierung waren, erklärten kurzerhand beide Heiraten für nichtig und bestimmten, daß die zwei Frauen nie mehr heiraten dürften. Der Tu se von Mazar unterwarf sich diesem Spruch aber nicht und verlangte die Heirat seines Enkels mit der Tochter des Königs Tschoskiab. Es standen schließlich Mazar, Tschanggu und Tschantui gegen Kungsar, Tschuwo und Beni, und der Kampf begann. Im Verlauf desselben benützte ein Verwandter des Tschuwo-Fürsten die Verwirrung und machte sich mit Hilfe der Mönche des Klosters Schuning zum Tu se von Tschanggu.
Durch den Krieg wurden auch chinesische Kaufleute an Leben und Eigentum geschädigt und chinesische Truppen rückten schließlich unter dem Oberbefehl des Dao tai Tsching schan ins Hor-Gebiet. Erst angesichts dieses Aufgebots zogen die tibetischen Herren ihre Mannen zurück und unterwarfen sich dem chinesischen Schiedsspruch. Tsching schan bestimmte , daß beide Mädchen als Frauen von Traschi wang gelten sollten, und die Fürsten verpflichteten sich, ewigen Frieden zu halten. Einer der hauptsächlichsten Unruhestifter wurde hingerichtet, ein anderer war im Kampfe gefallen.
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