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0234 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 234 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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O.

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wildzerzauster Felsgipfel, die mit alpiner Pracht, mit schimmernden Firnfeldern und blauem Gletschereis das Dsa tschü-Tal im Süden einsäumen. In der halben Höhe dieser Berge zeigten sich Waldschluchten und davor breiteten sich die eben keimenden Felder und die reinlich weiß getünchten Häusergruppen der

Bauern aus (Tafel XXXIX) .

Da ich durch Leutnant Lu in Puilung eingeführt wurde, so waren alle Dörfler äußerst zuvorkommend gegen mich. Jeder meiner Wünsche wurde mit einem demütig klingenden „Li so ! lá. so !" entgegengenommen und in kürzester Frist erfüllt. Anders aber dachte mein Da Tschang. Als Lu gegangen war, erklärte er, von jetzt an bei nichts anderem mir helfen zu können als allein beim Einkauf von Stroh und Lebensmitteln. Da ich dies aber selbst und billiger tun konnte und wenig Lust hatte, dafür allein einen Mann beritten zu machen und höher zu bezahlen als andere, so hielt ich es für einen guten Witz, lächelte als Antwort und schrieb an meinem Tagebuch weiter. Er aber wurde grob und, als ich mir seine Worte verbat, sogar angriffslustig. Wütend stampfte er mit seinen dreifach gesohlten Dankar-Stiefeln auf meine Zehen und verlangte umgehend die schriftliche Zusicherung der Erfüllung seines Wunsches, und ehe ich mich von meinem Sitze erheben konnte, packte er mich am Rockkragen und zückte ein Messer. Nur meiner überlegenen Kraft habe ich es zu verdanken, daß ich den großen Mann noch abschütteln konnte, ohne Schaden zu nehmen. Ein Tibeter hörte uns in diesem Augenblick und wand ihm das Messer aus der Faust. Eine Weile darauf kam Li in mein Zimmer und fragte an, ob Da Tschang gehen könne. Ruhig und gelassen sah ich den stattlichen Kerl nach meiner zustimmenden Antwort aus dem Hoftor marschieren. Wenige Minuten später sah ich ihn auf einem fremden Pferde in der Richtung nach Gantse traben. Es war das letzte, was ich von ihm sah. Alles spielte sich so schnell ab, daß ich zuerst glaubte, der Mann sei plötzlich verrückt geworden, und bedauerte, ihn ganz allein in dem wilden Lande ziehen lassen zu müssen.

Am anderen Mittag trafen zwei chinesische Soldaten aus Gantse bei mir in Puilung ein, die der Tsung ye als Eskorte versprochen hatte. Sie erzählten, mein Dolmetscher habe ihnen noch ein „ping ngan", d. h. seine Wünsche, ich solle in Frieden ziehen, aufgetragen, ehe er sein Ula-Pferd nach Dscherku bestiegen habe. Erst jetzt wurde mir die Sache etwas verständlich. Da Tschang mußte, koste es, was es wolle, nach Dscherku zurück. Er hatte sich dem Tsung ye insgeheim als der Ya men-Dolmetscher aus Hsi Hing fu, der in meinem Paß erwähnt war, vorgestellt und als solcher auch Ula, d. h. ein freies Reitpferd bis Dscherku ndo verlangt und erhalten. Sein Gehalt hatte er ja schon, dazu Vorschuß für anderthalb Monate. Obendrein stellte es sich nach seinem Weggange heraus, daß er eine Reihe kleinerer Gegenstände mitgenommen hatte. Er wollte eben mit dem Dienen Schluß machen und löste seinen schriftlichen Kontrakt auf seine Weise. Es ist ein knorriges und wildes Holz, aus dem diese Hsi ring-er und Bayan rung-er Grenzleute geschnitzt sind. Da Tschangs Worte deckten sich nie mit seinen Gedanken. Oft sagte er zu mir : „Ein kluger Mann spricht nie die Wahrheit !" 1)

1) Zweieinhalb Jahre später erfuhr ich zufällig, daß Da Tschang sich lustig und

guter Dinge in seiner Heimat herumtreibe. Er hatte sich eine neue tibetische Squaw aus Dscherku ndo mitgebracht.

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