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0243 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 243 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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in den Raum, wo mir der Sekretär Quartier besorgt hatte. In der Erinnerung

an das Ungemach der letzten Monate machte es mir ein großes Vergnügen,

die Augendiener jetzt wenigstens mein ganzes Körpergewicht fühlen zu lassen.

Keiner wagte darüber zu stöhnen.

Auch in Gendu sind die Bauernhöfe mehrstockig. Zwischen den Holzstützen

des Erdgeschosses werden die Tiere festgebunden. Im zweiten Stock liegen die

Wohngelasse, im dritten die luftigen Vorratsräume für Stroh und Kuhdung, sowie

den Imponderabilien ihrer Religion. Auch werden Erbsen und Körnerfrüchte

dort oben aufbewahrt. Die lehmgestampften ebenen Dächer dienen als Tennen,

auf denen mit Dreschflegeln die Frucht ausgedroschen wird. Seit Ka ts`a sah

ich die Bauern an jedem windigen Tage auf ihren Dächern ihre Körnerfrüchte

reinigen. Sie schütteten sie aus Körben auf ihre Dachtenne und überließen es

dem Winde, die Spreu fortzuschaffen, eine Arbeit, die nicht anstrengend, sondern

für faule Leute geschaffen ist. Daher besorgten sie auch mit Vorliebe die

tibetischen Männer.

Das Quartier zu Gendu hatte auch wieder einen viereckigen und offenen

Lichthof in der Mitte des Hauses. Nach ihm zu sahen im ersten Stock Veranden

aus Holz, von denen man in die Zimmer gelangt. Nach außen hatte man Fenster-

öffnungen möglichst vermieden, so daß das Haus gleichzeitig eine kleine Festung

vorstellte. Die Bauart erinnerte mich lebhaft an meine früheren Erlebnisse

und Abenteuer in den albanesischen Hausburgen.

Der Kult der Götter und Geister nimmt auch in Gendu einen sehr breiten

Raum ein. Neben kleinen Weihrauchöfchen, die sich einzelne Knechte und

die Kinder gebaut hatten, stand auf der Veranda vor meinem Zimmer ein großer

Lehmofen, in der Form an eine Tope erinnernd, in dem ein alter Hauslama

Wacholder brannte (Tafel XL). Auf dem Dache flatterten Gebetsfahnen

an vielen Masten. Über dem Hauseingang hingen die Symbole und Zeichen

der großen lamaistischen Schutzgeister, grinste die Fratze einer scheußlichen

Lhamo, pendelten im Winde Lanzenspitzen und Dolche, Bannsprüche, mit

Stroh vollgestopfte Bälge von Hasen, Wildschweinen und Wildhühnern. Auf

der Treppe wie am Eingang hingen und standen Stein- und Holzplatten mit

eingekratzten Gebeten. Gebetmühlen von 1 m Höhe zogen sich am Treppen-

geländer entlang, die jeder in Schwung brachte, der hier auf- und abstieg. In

den spinnweberfüllten Nischen standen da und dort große Lehm-Ts` ats` a und

in den pechschwarzen Ecken baumelten mit Gebeten beschriebene Kinnbacken

und von alten treuen Haustieren ausgeraufte Mähnenhaare.

Die Straße unterhalb Gendu führte an der Mündung noch mancher großen

Waldschlucht vorüber und viele klare Bäche sprudelten über meinen Weg.

Die Mühlen im Grunde der Schluchten, die Fichtenhochwälder, die Felskuppen,

die Wiesen und Weiden riefen das Bild friedlicher Schweizer Alpenlandschaften

hervor. Am Ausgang des Chia tschü-Tales aber lagen die noch frischen Ruinen

des früheren Adelssitzes und Dorfes Dendu. Brach und öde umstanden die

einstigen Felder die geborstenen Steintürme. Den Brandruß des Eroberungs-

tages hatten die Regengüsse noch nicht wegwaschen können. „Hier saß der

Lalin Tu se 1)," erklärte mit devoter Stimme der einsilbige Ya men-Sekretär.

„Wir haben ihn im Tschanggu-Kloster geköpft. Er war ein schlimmer Rebell."

1) (2) Lalin tschung , vielleicht Rockhills Nalintschung ; es soll ein Beamter des Dalai Lama' Dewa schung gewesen sein.

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