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0251 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 251 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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mir serviert wurde 1). Er war wohl schon in der Tibeterzeit ein Festsaal ge-

wesen. Alle Wände und die Decke trugen auf der Holztäfelung in feurigen

Farben gemalte Blumenranken und Jagdszenen. Während der Mahlzeiten

wurden Tibeter, die irgend ein Anliegen hatten, hereingelassen. Kaum im Zimmer,

warfen sie sich auf den Fußboden, und der chinesische Dolmetscher berichtete

an ihrer Statt das Anliegen. Selten wagten die Bittsteller einen Einwurf dazu

zu machen. Auf den trocken herausgebrachten Bescheid des Mandarins mur-

melten sie ein erbärmliches „O liso ! láso !", neigten den Kopf, schlossen die

Augen, erhoben die Hände, die Handflächen zusammengelegt, zur Stirne und

warfen den Kopf aufs neue auf den schmutzigen Fußboden. Solcherart verlief

auch die Audienz für die ärmeren tibetischen Adligen, was diese Leute sehr

erboste.

Im Grundplan erinnerte die Burg in Tschanggu an das Puilunger Herren-

haus, nur waren alle Verhältnisse größer. Das Gebäude ist rechteckig mit

einem flachen Lehmdach und hat vier Flügel, die um einen Innenhof gebaut

sind. Es sind fünf Stockwerke hier, alle von Fichtenstämmen getragen. Nur

die starke Außenmauer ist aus Stein und in ihr finden sich nur im fünften Stock-

werk oben einige Fensterluken. In Zeiten der Not konnte der halbe Stamm

mit Weib und Kind darin unterkommen. Fundamentmauern fehlen auch

diesem Gebäude wie allen Häusern Tibets. Wie man eine Zeltwand aufrichtet,

so sind die Mauern um die vielen Holzsäulen und Balken des Inneren herum-

gebaut, ohne selbständig im Boden halt zu suchen.

Das Dorf Tschanggu legt sich am Rande des Abhangs um das Herrenhaus

herum. Viele seiner Häuser lagen in Trümmern, der Rest ist von Chinesen be-

wohnt. Diese, Kolonisten, die die Mandschu-Regierung hierher verpflanzt hat,

haben meist tibetische Frauen und auch der Baustil ist vollkommen tibetisch.

Der Ort sah friedlich, aber häßlich aus. Die Kolonisten hatten Gemüsebeete

angelegt, aus denen zerfallene Steintürme aufragten, Zeugen von nicht sehr

ferner Kriegszeit und böser Kriegsnot.

Das Kloster Tschanggu ist keine Viertelstunde von der Burg entfernt. Die

Tempelgebäude und das Obergeschoß der Priesterwohnungen sind — wie viel-

fach in Südtibet — aus Holzbalken gezimmert, und alles ist hübsch bunt

bemalt. Eine niedere Mauer umschließt die ganze Anlage (Tafel XLVI). Sie

scheint mehr zum Schutz von Zucht und Sitte der Insassen zu dienen als

zur Verteidigung gegen Angriffe von bewaffneten Feinden. Bei einem Jagd-

ausflug lernte ich zufällig auch noch das Nonnenkloster Tschanggu kennen,

das nur wenige Kilometer weiter in einer Seitenschlucht liegt. In ärmlichen

Hütten beherbergt es über hundert Nonnen. Keine Golddächer verraten diese

Stätte von ferne, keine Mauer schützt die Hütten nach außen. Die Nonnen

schienen mir weit schlechtere Geschäfte zu machen als ihre männlichen Kollegen,

deren Heiligtum mit goldblitzenden Zieraten und Symbolen beladen ist 2).

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  1. Wu tschin hsü Da lao ye hatte sogar chinesische Schlachtschweine aus dem Tiefland kommen lassen, da er die tibetische Schweinerasse, die in ganz Hor in großer Menge gezüchtet wird, für zu fleischig und schlecht schmeckend erklärte. Die Hor-Tibeter essen ihr Schweinefleisch teils roh, teils gesotten.

  2. Nördlich Tschanggu mündet das große Niba-Tal, in dem man nach den Mitteilungen des Mandarins am ersten Tag die Gemeinde Loko, am zweiten Tag Säko, dann Dschema Zakun, Zenyi, Aubanyi, Audschenyi, Ladiao, Datama erreichen kann. Die ersten drei Orte sind von Ho lu (Hor) Tschanggu abhängig und angeblich feste Sied-

13 H.

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