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0256 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 256 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Der Dschagla rgyalbo ist, wie viele kleine Könige Osttibets, in religiösen

Dingen konservativ gesinnt. Bei ihm gilt am meisten die Nima-Sekte. Wir

finden in seinen Tälern aber auch noch mehrfach Reste der alten Bönbo. Gleich

in meinem ersten Quartier in Ming tscheng war ich im Hause eines Bönbo-

Obermanns, und nicht weit davon waren mehrere Heiligtümer der Bönbo. Allein

wiederholte Einfälle der Tschantui hatten die Mehrzahl derselben im Laufe der

letzten Jahrzehnte vernichtet und allenthalben stieß ich auf Trümmerstätten, auf

verbrannte Häuser und Tempel') (Tafel XLIV). Die Folge war, daß selbst die

Söhne des alten Bönbo-Obermanns, bei dem ich eingekehrt war, zum Gelugba-

Glauben sich bekehrt hatten, ihre Gebetmühlen nun wie diese im Sinne unseres

Uhrzeigers schwangen und die vielen Zauberdolche und Bönbo- Sprüche, die

ich in ihrem Hause sah, nicht mehr hochhielten, sie auch nicht mehr, wie sonst

Bönbo tun, vor den Blicken ihrer Frauen verbargen. Der Bönbo-Priester ist

in diesen Gegenden nur noch der gefürchtete, aber nicht sehr geachtete Wetter-

macher und Hagelbeschwörer. Meinem Wirte wurde von seiner Gemeinde eine

jährliche Abgabe bezahlt, wofür er verpflichtet war, durch seine magischen

Künste die Wetterschläge aus dem Tale zu bannen. In der Wohnung waren in

Nischen und Spinden viele Td ats` a von 25 cm Durchmesser aufgestellt. Sie

sollten eine große Kraft besitzen und Aschen von heiligen Tieren und Menschen

enthalten 2). Am Abend vor dem Schlafengehen wurde auch in diesem Hause

von sämtlichen Insassen eine lange Litanei mit Händeklatschen und Schnalzen

hergebetet, die eine halbe Stunde in Anspruch nahm. Wie immer beteiligten

sich auch die Gäste daran.

  1. Ein großes Bönbo-Heiligtum stand noch bis in die 1860er Jahre südlich unweit Dawo und wurde erst durch die Tschantui zerstört.

  2. Als Hagelbeschwörer spielen die Bönbo zwar im ganzen ackerbautreibenden Osttibet noch eine wichtige Rolle. Während aber früher jeder Familienvorstand zugleich Bönbo-Priester war und jedes Frühjahr alle zusammen auf die Hauptberge in der Nähe der Dörfer hinaufstiegen, um den Hagel für die kommende Ernte zu beschwören, hält sich heute jedes Dorf seinen besonderen Hagelbeschwörer, seinen Bönbo. Die Hagelbeschwörer gehen im dritten Monat (Ende April), wenn die Birken und Weiden Blätter bekommen, zu einem Lab rtse auf die Berge, lesen dort Beschwörungen aus einem Buche, stecken darauf in das Lab rtse neue Speere und Pfeile aus Holz (Tafel LXIV) und kleben auf einen Stein neben dem Pfeilhaufen ein „srogles-wangtangLungschda" (Abb. 14, S. 321). Das wichtigste Tier auf diesem Zauberbild ist oben in der Mitte der Garuda (tib.: btschung), der in seinem Schnabel zwei Schlangen hält. Zum Schluß stecken die Hagelbeschwörer auf dem Berge in Birkenäste, die ihnen die Bauern bringen, Federn vom weißen tibetischen Fasanen und färben mit geweihter Tusche den unteren Teil der Zweigchen, der in den Boden kommt, schwarz. Wenn diese Zweigchen mit den Federn fertig sind und noch ein Hahn ausgesetzt oder geopfert worden ist, rennt alt und jung — nur das männliche Geschlecht darf natürlich anwesend sein — ins Tal hinab und steckt die Zweigchen auf seine Acker, in die Mitte der Acker neben einen weißen Stein, der das Herz darstellt, je drei und auf die Ecken je eines. Im Sommer, wenn die Frucht reift, wohnen die Hagelbeschwörer wochenlang auf den Bergen und beschwören jede aufsteigende Gewitterwolke. Der Grundgedanke ist der, daß aller Hagel von den Berggeistern der großen Waldberge stammt, die sich mit den Hagelkörnern gegenseitig bekämpfen, die aber durch die Beschwörungen eines tüchtigen Bönbo besänftigt werden können. Wenn im Laufe des Jahres kein Hagel die Ernte trifft, erhält der Hagelbeschwörer von den Bauern bis zu 100 oder 200 Pfund Weizen. Ist Hagel gefallen, so bekommt er nichts oder nur Schelte, weil er nichts versteht, ja in manchen Gegenden muß der Wetterbeschwörer dem Bauern einen Teil seines Schadens ersetzen und obendrein wird er ausgepeitscht.

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