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0259 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 259 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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tsien lu zu versorgen haben, und gleich dahinter schließt sich das Hochplateau

Li tang an.

Am 3. Mai hätten wir in Ta tsien lu ankommen sollen. Man rechnet von der

Dzong Tschamba nach Ta tsien lu nur eine, wenn auch eine große Tagesreise.

Wegen des schlechten Zustandes meiner Tiere schob ich jedoch noch einmal ein

Biwak ein (Tafel XLV). Es wurde eine kalte und feuchte Nacht, in der uns eine

dicke Reifschicht bedeckte — eine im Inneren Tibets ungewohnte Erscheinung.

Noch in der Dunkelheit zogen darum die Tibeter weiter. Um fünf Uhr in der

Frühe, als es hell geworden war, ritt ich den anderen nach. Nur eine Wegstunde

trennte mich noch vom Passe Dschedo la. Um sechs Uhr schon stand ich auf

diesem letzten großen Passe, auf dem eigentlichen Grenzpasse Tibets und

Chinas. Eine endlose Kette Maultiere zog dort an mir vorüber. Tier für Tier

keuchte unter zwei in Leder genähten Reisballen. Es waren lauter kleine und

magere Racker, die aber wie die Katzen klettern konnten. Die Treiber waren

Untertanen des Dschagla-Königs und leisteten Ula-Fron mit ihren Tieren.

Der Reis war kaiserlich. Es war ein Convoi der chinesischen Truppenmacht,

die hinter Li tang, um Ba tang und in Siang tscheng noch im Felde stand.

Gerade am Dschedo-Passe war ich auf die große tibetische Heerstraße gestoßen,

die von Ta tsien lu über Li tang, Ba tang, Dschraya und Tsiamdo nach Lhasa

geht und der entlang sich seit Jahrhunderten die Eroberungszüge bewegen.

Sogar der kaiserliche Telegraph führte schon über den zugigen Bergsattel

des Dschedo la und seine 4390 ml). Die Linie war eben bis Ba tang fertiggestellt

worden. Meine Hsi ning-Leute, die noch nie eine Telegraphenleitung gesehen

hatten, mußten eine eingehende Inspektion vornehmen. Längst hatten sie

natürlich gehört, daß man durch den Draht einen ganzen Brief versenden könne,

aber wie das vor sich geht, darüber hatten sie die abenteuerlichsten Ansichten.

Sie wollten den Draht durchschneiden und sich den Hohlraum ansehen. Kurz

nachdem ich sie von dieser wilden Idee abgebracht hatte, begegneten wir einer

sechs Mann starken Telegraphenwache, die eine schadhafte Stelle suchte, weil

am Tage zuvor die Leitung unterbrochen worden war. Mir war es wunderbar,

daß man überhaupt zuzeiten telegraphieren konnte, denn fast keiner der

Isolatoren auf den Stangen war intakt. Die Tibeter sahen in ihnen ein ganz

besonders passendes Ziel sowohl für ihre Flinten als auch für ihre geliebten

Steinschleudern.

Hinter dem Dschedo-Paß stößt das Auge zunächst auf kahle Felsgrate und

auf breit ausgehobelte, trockene Karböden. Die Gipfel in der Umgebung des

Passes steigen über 5000 m. Sie befinden sich noch alle unterhalb der Grenze

des ewigen Schnees und nur verzettelte weiße Flecke waren auf ihnen zu ent-

decken. Wenn man aber die steile und holperige Heerstraße hinabsteigt, die

vor vielen Jahren gepflastert worden war, und wenn man um die Ecke gebogen

ist und einen verwaschenen Karboden erreicht hat, dann blitzen mit einem

Schlage im Süden riesenhafte Firnfelder auf (Tafel XLVI). Vor ihnen in

der Tiefe ist das Dschedo-Tal eingebettet mit dem kleinen Ort Dschedo, einer

wichtigen Nachtstation für alle diejenigen, welche von unten heraufkommen.

Bis man zu diesem Ort gelangt, hat man die breite Rhododendronzone zu pas-

1) Kreitner-Széchenyi 4499 m; Rockhin 4365 m (14 320 f.); Gill 4425 m (14 515 f.); War office map 15 000 f.

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