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0260 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 260 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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sieren, die mit ihren großen weißen und rosa Blüten von 4500 bis 3800 m herab-reicht. Die großen Blüten waren eben im ersten Aufblühen und die dachgähen Berghalden bildeten manchmal ein wahres Blütenmeer. Lange bevor Dschedo erreicht wird, ist man innerhalb der Hochwaldgrenze, und die Feuchtigkeitsmengen, die der Monsun in diesen Randgebirgen abladen muß, haben sogar auf beiden Talseiten, sowohl an Nord- als an Südhängen, schier undurchdringliches Dschungel entstehen lassen.

Bei Dschedo biegt die Schlucht, die von der Straße benützt wird, aus ihrer südöstlichen Richtung ganz nach Osten um und jetzt stiegen dicht vor mir mit einem Male die Bergmajestäten des heiligen Lhamo rtse auf. Die Wolken der Nacht waren mittlerweile bis auf geringe Reste von der Sonne verzehrt worden. Frech , unverschämt und patzig , wie nur ein Barbar sein kann , reckten sich diese Heiligen zum Himmel empor (Tafel XLVII). Weiß spiegelnder Firnschnee und grünlichgraues zerspaltenes Eis hob sich drüben zum Greifen nahe von schwarzen Felsschründen ab. Was mir aber bei dieser atemraubenden Überraschung das Herz noch höher schlagen ließ, war all das saftig frische Grün des Laubwerks, was sich da unter den übermächtigen Götterthronen breit machte. In dem Tal zu Füßen des Lhamo rtse war es schon eine Weile lang Frühling, da zwitscherte eine Unzahl von Vögeln und Vögelchen, die ich nie vorher geschaut hatte, und rings um mich her gaukelten die farbenprächtigsten Schmetterlinge. Mit jedem Schritte tiefer wurde Mutter Natur lebendiger und lebenslustiger, üppiger, artenreicher. Ich hatte im Norden Tibets und während meiner langen Reise im Löß vergessen, wie schön, wie verschwenderisch unsere Erde ausgestattet sein kann. Um so größer war nun mein Genuß geworden.

Man reiste zuletzt in nordöstlicher Richtung; die Straße folgte in der letzten Stunde einem großen Tale, das am Westfuß der Lhamo rtse-Kette entlang läuft. Ein paar Meilen vor Ta tsien lu wird der Wald wieder kümmerlicher. Der Mensch mit seiner Eigensucht hält hier die Üppigkeit der Natur zu seinem eigenen Schaden im Zaum. Die Holzhauer der Stadt lassen nur noch Buschwald aufkommen. Endlich — es war mittlerweile drei Uhr geworden — tauchten im Talgrunde schwarzgraue chinesische Ziegeldächer und Hausgiebel auf und bald darauf — man mußte nur noch einen Paradeplatz und einen chinesischen Friedhof vorbeilassen — klapperten die Hufe meiner Pferde in einer engen gepflasterten Gasse und durch das kleinliche Südtor von Ta tsien lu. Ich war wieder in China geborgen.

         

Die Stadt Ta tsien lu liegt 2500 m hoch 1) und eingekeilt zwischen steil aufsteigenden Bergen. Sie birgt rund 1200 Familien mit etwa 8000-10 000 Köpfen (ein Drittel Chinesen und zwei Drittel Tibeter) und war seit langer Zeit der Sitz eines chinesischen Obersten (hsië tai), dem alle Gendarmeriegarnisonen in ganz Hor, aber auch die von Ba tang, Li tang usw. unterstanden, weiter eines Intendanturmandarinen, „Kün leang fu" betitelt, dem die Abrechnung mit den Okkupationstruppen und kaiserlich anerkannten Klöstern bis hinauf nach Lhasa

1) In der Nähe des Südtors gemessen. Kreitner-Széchenyi hat 2579 m, Desgodins- Biet 2502 m; Rockhill 2500 m (8204 f.); Baber 2585 m (8480 f.); Gill 2543 m (8346 f.);

A-K 2532 m (8310 f.); die War office-Karte von Yün nan 2560 m (8400 f.).

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