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0284 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 284 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Auf einer verfaulten und windschiefen Auslegerbrücke muß man noch einmal

einen engen Felsgraben überschreiten, den der Fluß durchtost, dann steigt man

auf dem linken Ufer kurz, aber steil schier 100 m auf eine Felsterasse hinauf

und hat Hsin gai tse, den Marktvorort von Mu gung ting, erreicht. Hsin gai tse

mit seinen 6000-7000 Einwohnern besitzt keine Mauer. Dazu hat es noch nicht

gereicht. Die Siedlung ist noch zu neu. Schon der Name Hsin gai tse = neues

Marktsträßchen sagt ja, daß die Chinesen sich hier noch nicht sehr lange —

wenig über 100 Jahre — festgesetzt haben. Die Eingeborenen nennen den

Platz Meino oder Meno und schon frühe spielte er eine große Rolle. Acht

Minuten weiter im Osten, scharf davon getrennt, liegt der Ya men-Platz Mu gung.

Der Bezirksbeamte der Täler des kleinen und großen Goldflußlandes, der Mu

gung ting, hat daselbst seinen Amtssitz. Wenige Häuser nur und ein Hotel

für die verschiedenen Schu be und Tsien tsung, d. h. die Bezirkshauptleute,

stehen hier auf einem felsigen Rücken hoch über dem Fluß beisammen. Man

sieht von dieser Stelle aus tief in Täler und Schluchten hinein, sieht noch etwas

weiter östlich im Tale unten den Ort Ying pan gai oder Ying gai, die Lagerstraße

mit dem Ya men des höchsten Militärkommandanten der Gegend (Tafel LIII),

sieht gegen Senggersung hinab, sieht auch den Lauf des Ying gai-Tales aufwärts

und einer Straße entlang, die nach Süden, nach dem Sitz des Tu se oder

rgyalbo von Mu ping (tib. : Dschumba) führt, d. h. zu dem eingeborenen

König, der unter allen tibetischen Adligen und weltlichen Herrschern den

höchsten chinesischen Titel bekommen hat. Er ist dafür einer, in dessen

Reich die Chinesen am intensivsten und am tiefsten eingedrungen sind und

der der nächste an der Reihe ist, ein „Johann ohne Land" zu werden und den

Chinesen ganz das Feld zu räumen.

Es hat seine guten Gründe, da (3 gerade in Hsin gai, Mu gung und Ying gai

die Chinesen sich in größerer Zahl ansässig gemacht und hierher das Zentrum

der Verwaltung verlegt haben. Nirgends weit und breit ist die gleiche Möglich-

keit für eine kopfreiche Siedlung gegeben. Seitdem ich Hor Gantse verlassen,

hatte ich nirgends mehr so viele und so dicht beieinanderliegende Äcker an-

getroffen. 50 und 100 m über dem eng zwischen Felswände eingekeilten Fluß

erbreitert sich das Tal zu Terrassen (Tafel LXII), die ausgiebigen Anbau speziell

von Mais und auch von Weizen, Bohnen und Buchweizen gestatten 1).

Der Mu gung ör fu ting ist der Verwalter und Richter der sogenannten

westlichen Miao tse-Länder, die erst nach zwei großen und blutigen Kriegen

in den Jahren 1747-1749, vor allem entscheidend und endgültig in den Jahren

zwischen 1771 und 1776 von dem Mandschu-Kaiser Kien lung niedergerungen

und unterworfen wurden und erst seither in das chinesische Verwaltungssystem

eingegliedert und der chinesischen Kolonisation und Volksüberschwemmung

geöffnet worden sind 2). Der Verwaltungsbezirk des Mu gung ting ist sehr aus-

  1. Mais bildet die hauptsächliche Nahrung der Bewohner. Zur Zeit meines Be-

suches stellte sich der Preis von 1 cättie = 600 g, nach dem damaligen Kurswert be-

rechnet, auf 7 Pfennig, während in Ta tsien lu für ein cättie 25 Pfennig zu bezahlen

waren und kurz darauf die Preise von Ta tsien lu ständig weiterstiegen. Freilich hat

Ta tsien lu fast alle seine Lebensmittel vom Tiefland heraufzuholen, ja manches wird

auf Menschenschultern aus dem Bezirk von Ya tschou fu herbeigeschleppt.

  1. De Mailla, Histoire g. de la Chine, Paris 1780, Bd. XI, S. 589 ff., hat irrtümlicher-

weise diese Tibeter vorn heutigen Mu gung ting zu den Miao tse-Wildvölkern gerechnet,

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