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0302 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 302 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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wie in Tibet ziemlich hoch. Der Mann verkauft selten etwas, ohne sie um Rat zu fragen. Eine Scheidung der Ehe ist möglich, jedoch sehr selten. Dabei wird stets der Darro als Richter angerufen. Wenn eine Frau keine Kinder hat, suchen die Söhne reicher Familien noch eine zweite Frau. Wenn nur Mädchen geboren werden, wird ein Sohn adoptiert, der eine der Töchter heiratet und später dann den ganzen Hof erhält. Polyandrie ist unbekannt in Kin tschuan.

Bei G e b u r t e n werden in Kin tschuan keine besonderen Zeremonien beobachtet. Die Frauen müssen nur einen halben oder ganzen Monat das Haus hüten und an der Haustüre wird ein kleiner Strohbund an einer Stange ausgehängt; solche Häuser betritt niemand, der nicht zur Familie gehört. Nach etwa einem Jahr bekommt das Kind von einem Lama einen Namen. Dieser liest Gebete, knetet aus Ton eine etwa 15 cm große menschliche Figur und stellt diese auf ein Brettchen hoch oben in eine Zimmerecke. Von nun an gilt das Kind als mit einer Seele (wla) ausgestattet.

Ist jemand erkrank t, so wird zuerst ein Bönbo gerufen. Dieser rechnet aus, ob der Kranke vielleicht seine Seele verloren hat, so z. B. wenn der Kranke sehr erschreckt wurde. Man schickt dann Leute in den Wald und läßt den Namen des Kranken rufen, damit die Seele wieder zurückkommt. Oft bringt der Bönbo heraus, daß der Kranke einen bTsan (Dämon), der in einem Baum oder in einer Quelle wohnt, erzürnt hat. Der Bönbo verbindet in einem solchen Falle das Haus mit jenem Baum oder jener Quelle durch einen Strick, an dem Tuchstücke mit Beschwörungsformeln flattern, d. h. er macht einen bTsan deri, einen Weg für den Dämon nach Hause. In anderen Fällen wird ein Hahn im Wald ausgesetzt (mts`a tar genannt), und in manchen Gegenden wird dieser Hahn noch geschlachtet und sein Blut in die vier Haupthimmelsrichtungen verspritzt. Auch macht der Bönbo Tierköpfe und Tiere aus Tsamba, wie sie von einem Holzmodel (s. Bd. I, Abb. 3) abgedrückt werden können, und läßt sie je nach dem Ausspruch seiner Zauberbücher an Kreuzwege oder in den Wald legen. Bei schwereren Krankheiten wird auch ein Strohwisch vor die Haustüre gehängt und kein Fremder darf das Haus betreten. Selbst ein Sohn, der aus der Fremde zurückkehrt, darf in solchen Fällen nicht in sein Vaterhaus kommen, denn an jedem Menschen haften irgendwelche Gespenster (lha ndri), die nur schaden können. Geschenke, die einem Kranken gemacht werden, müssen aus demselben Grunde stets erst gewaschen werden, ehe man sie dem Kranken aushändigt.

Bei einem T o d e s f all ist das erste, daß einer der Angehörigen zum BönboPriester oder zu einem Mönch geht, der in den tantrischen Künsten erfahren ist; selten ist dies jedoch ein in Lhasa geprüfter Mönch. Solch ein Wahrsager wird in Kin tschuan Bremugero (hochtibet.: Mudabka) genannt. Er bestimmt zu allererst mittels seiner Zauberbücher und dreier Würfel und mit Hilfe von farbigen Kieseln, Bohnen, Kaurimuscheln, Adlerkrallen und Holztschorten, die er nach den Augen der Würfel zusammensetzt, woran der Tote gestorben ist und ob seine Seele (wla) noch in ihm sitzt, ob sie vielleicht schon längere Zeit verloren ging, ob und wie viele Gespenster (lha ndri, chin.: gui) ihn umgebracht haben und wo diese bösen Gesellen stecken. Dieser Wahrsager bestimmt auch, an welchem Tage und zu welcher Tageszeit die Leiche aus dem Haus gebracht werden muß. Von diesem Wahrsager eilen die Angehörigen sodann in das nächste Kloster und bitten einen Lama mit sechs oder mehr Dschraba für 7, 14 oder 21 und mehr Tage zum Gebetelesen in das Trauerhaus. Die Mönche haben der Seele des Toten den Weg zu weisen, ihr im Nirwa lhakang vor dem Richterstuhl des Tschüs rdye rgyalbo, des Totengottes, durch ihre Gebete zu helfen. Die Angehörigen waschen jetzt den Toten zu der gleichfalls vom Wahrsager festgesetzten Zeit mit warmem Wasser und frisieren ihn. Hierauf wird der nackte Tote in sitzender Stellung mit untergeschlagenen Beinen in ein weißes, schmales Stück Baumwolltuch von etwa 7 m Länge eingebunden, auf einem erhöhten Platz aufgestellt und meist 3 Tage, im Winter aber bis zu 14 Tagen aufgebahrt. Sein Gesicht wird dabei mit einem Khádar bedeckt. Wenn es aber der Familie nicht mehr gelang, den Toten vor Eintritt der Totenstarre zusammenzuschnüren, wird angenommen, daß der wLa (geschr. : bla) noch im Körper eingeschlossen sei und sich dort wie etwa ein Mensch fühle, der unter Alpdrücken leidet. In einem solchen Fall hat der Lama die Aufgabe, den wLa aufzuwecken und ihm hinauszuhelfen. Wenn dies mißglückt, glaubt man, daß die Leiche weiter wachse und daß sie sich noch einmal erheben könne, und daß ein jeder, den sie ansehe, ebenfalls sterben müsse. Um zu verhindern, daß ein solcher steifer Toter aus dem Hause hinausgeht und

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