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Meine Tibetreise : vol.2 |
Ko tou. Gleichzeitig wird die auf Papier geschriebene Zahl der Gebete, die von Bekannten und Verwandten gebetet und mit dem Rosenkranz gezählt worden ist, verbrannt und ihm so bekannt gegeben. Dies scheint mir aber bereits eine neuere Vermischung mit dem chinesischen Ahnenkult zu sein. Bei der ersten Wiederkehr des väterlichen Todestages ladet man alle seine Freunde ein und stellt die alten Bronzekannen der Familie, die alten Waffen, alle Pflugscharen und alten Kleider auf, dazu viele alte Speckseiten , geräucherten Schweinespeck , der oft fünfzig und mehr Jahre alt ist. Ähnlich wie im Inneren Tibets, wo Butter jahrzehntelang aufbewahrt wird, haben diese Speckseiten das Ansehen der Familien, ihr Alter und ihre Wohlhabenheit zu verkünden; nur eine reiche Familie kann sich natürlich so etwas leisten und hat Speckseiten, die nicht aufgegessen werden.
Ich blieb mehrere Tage in und um Hsin gai tse. In der ersten Nacht hatten
sich die beiden Dawo-Tibeter „auf französisch" empfohlen; es waren zu wilde
Gesellen, als daß ich hierüber hätte betrübt sein können. Ich wäre sogar höchst
ungern mit ihnen in einsame Steppen gezogen. Sie hatten etwas Lauerndes
in ihren Augen, womit ich mich nicht befreunden konnte. Ich war ihnen aber
sicher ebenso unheimlich. Dardyi hatte sich über meine Instrumente und meine
Notizen nie beruhigen können. Als Ersatz der Dawo-Leute behielt ich einige
Aushilfskuli, die sich mir unterwegs angeschlossen hatten, Klein-Kin tschuan-
Leute, mit denen ich mich nur mit Brdyals Hilfe verständigen konnte. Waren
aber Dardyi und Skewliu schon wenig gute Pferdepfleger gewesen, so verstanden
es die Ersatzleute erst recht schlecht, mit Tieren umzugehen, was sich nur zu
bald auf den Rücken der Pferde bemerkbar machte. Dazu waren sie unsäglich
feige und legten schon in Hsin gai tse die allergrößte Furcht vor Somo und den
anderen Stämmen im Norden Kin tschuans an den Tag. Chinesische Lastkuli
boten sich mir in der Stadt in großer Zahl an. Sie besorgen die Transporte
nach Kwan hsien, das man bequem in zehn Tagen erreichen kann.
Der weitere Weg flußaufwärts war sehr gut. Anfänglich ging es auf der
Mandarinenstraße, die von Mu gung ting nach Kwan hsien und nach der Provinz-
hauptstadt führt (Tafel LIV). 6 km östlich von Hsin gai tse gabelt sich
das Tal. Ich folgte, um mein nächstes Ziel, die chinesische Grenzstadt
Li fan fu, zu erreichen, dem von Norden einmündenden Haupttal, das den
Oberlauf des kleinen Goldflusses bildet, während die Kwan hsien-Straße geradeaus
nach Osten zieht. Zwei kleine Auslegerbrücken sind an dieser Stelle zu über-
schreiten, die aber hier nun so fest fundiert waren, daß die ganze Karawane
geschlossen darüber gehen konnte. Nachher ging es bald über schmale Fels-
terrassen, auf Galeriebrücken, auf steilen Steintreppen auf und ab, aber immer
auf Wegen, die genügend Raum boten und 11/2, j a oft 2 m Breite an den engsten
Stellen hatten, so daß kein Tier mehr abstürzen konnte und ich den ganzen
Weg im Sattel zurücklegte. Mehrfach hatte die Straße sogar eine Art Geländer
bekommen, das freilich weniger zum Sichfesthalten als zum Ansehen da war.
Wie im unteren Teil des Kin tschuan und unfern von Romi Tschanggu
traf ich auch hier recht häufig auf die Ruinen vier-, sechs-, acht- und zwölfeckiger
schlanker Steintürme, den Resten der alten Befestigungen aus der chinesischen
Eroberungszeit. Manche dieser Türme sind so schlank und hoch, daß sie mich an
unsere Fabrikschornsteine erinnerten (Tafel LV). Die Chinesen nennen sie Tiao
oder Tschiao, die Eingeborenen von Rardan haben dafür den Namen „deio" oder
„deiyo". Wie aus den amtlichen Berichten über die Feldzüge gegen Kin tschuan
hervorgeht, hatten die chinesischen Soldaten sie vorher nicht gekannt. Die
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