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0315 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 315 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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zuziehen; doch von denen oben kam keine Antwort. Die beiden hatten es wohl für ausgeschlossen gehalten, Last oder Tier zu bergen und waren voll Angst im Busch verschwunden. Wegen dieser schnöden Desertion erreichten wir erst am zweiten Tage die ersten Häuser und den Schloßberg von Somo.

Der Somo Tu se besitzt wie der von Tschoktsi, von Sung kang, von Damba, von Tschoskiab usw. eine große alte Burg aus Stein mit vielen Stockwerken, mit Türmen und festen Toren, die die Tibeter „rgyalsa powrang", Königsschloß, die Chinesen „Kwan tsch`ai tse", d. h. Beamtenburg, nennen, denn der chinesischen Volkssprache ist der Begriff für Feudaladel längst verloren gegangen — sie kennt nur kaiserliche Prinzen; jeder tibetische erbliche Herrscher wird deshalb nur als Beamter aufgefaßt. Die Somo-Burg liegt auf einer kahl gerodeten, schmalen Bergzunge hoch über dem wilden Kargu-Fluß, dessen Tal hier herum etliche kleine Erweiterungen zeigt, auf denen Hausgruppen und Äcker Platz haben. Die Burg ist fünf-, teilweise sogar sechsstockig, hat drei Flügel, einen großen Innenhof und zwei schlanke Türme, die den plumpen Hausklotz gegen die Bergseite zu verteidigen und flankieren. Das Mauerwerk ist nach außen hin ganz roh belassen. Nach außen zeigen auch nur die zwei höchsten Stockwerke Fensterlöcher, die ohne Papier, geschweige denn ohne Glas, nur mit Holzladen verschließ bar sind, um die herum aber mit Kalkmilch eine monumentale Fensterarchitektur gemalt ist. Neben dem Schloß liegen einige wenige kleine Steinhäuschen, in denen wie in Tschoktsi und um andere Schlösser Dienstleute, Freigelassene und auch einige chinesische Krämer ihr Heim haben. Ich bezog auch hier der Tiere wegen ein Lager auf einer grünen Wiese, und bald waren die besten Beziehungen zum Schloß hergestellt. Am Nachmittage meines Rasttags besuchte mich die junge „Frau Königin". Wie eine Gestalt aus den alten deutschen Fabeln — wie eine heilige Hedwig — kam sie auf einem weißen Zelter zu mir herausgeritten, mit einer Spindel in der Hand, schwarze Schafwolle spinnend. Ihr stattliches Pferd führte ein Haussklave am Zügel. Hinter ihr drein ritten noch zwei andere Frauen, auch sie in langärmligem, schwarzbraunem Schafwollrock, der bis zur halben Wade hinabreichte, in buntledernen Stulpenstiefeln und das Haar fast so wie die Königin bedeckt von Korallen und Türkisen und silbernen Ringen. Die Königin — es war eine hübsche Frau von etwa vierundzwanzig Jahren — blieb zwei Stunden bei mir im Zelt und freute sich „königlich", als ich ihr eine Spieldose mit einem Khádar überreichte. Sie hatte eines jener schmalen kleinen Gesichtchen mit schmaler, feiner Nase, die man nur manchmal und zumeist nur in besseren Häusern in Tibet findet. Der Epicanthus und die mongolische Lidfalte waren bei ihr sehr schwach ausgesprochen 1). Sie war die Tochter eines anderen Kin tschuan-Herrschers, doch wessen, babe ich leider unterlassen mir aufzuschreiben. Auch sie trug ihr schönes, blauschwarzes Haar mit Hilfe von Butter in winzige Zöpfchen gedreht, die mit falschem Haar zusammen — es war dies an seiner verschossenen, braunen Färbung leicht kenntlich — zu vier großen und dicken Zöpfen vereinigt waren, die rund um den Kopf gelegt und so dicht von dunkelroten Korallenketten,

     
       
 

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1) Die Kin tschuan-Bewohner sind sonst untersetzte, aber breitschultrige und für Tibeter auffallend rundköpfige Leute. Sie haben zumeist breite und dicke Lippen. Die Nasen sind platt, Adlernasen sind viel seltener als im Inneren Tibets und auch im chinesischen Unterland. Die Backenknochen sind kräftig entwickelt, doch lange nicht in dem Maße wie bei Mandschuren und Mongolen.

     
   

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