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0326 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 326 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Zangskar und bevölkern drei Tagereisen weit die Ufer des oberen Somo-Flusses. Sie sind zwar Nomaden, müssen aber wegen ihrer reichen Weiden nur wenig hin-und herziehen. Sie wechseln zweimal im Sommer den Zeltplatz und wohnen im Winter in niederen Holzhäusern mit flachen Dächern, die 12 km oberhalb der Brücke auf dem rechten Flußufer liegen. In Begleitung von Ma suchte ich am Nachmittage zwei Zelte auf, die schon von weitem durch ihre Größe und schwarze Sauberkeit das Auge auf sich zogen. Es hatte früh am Morgen zu regnen begonnen und goß in Strömen vom Himmel herab, als wir uns dorthin auf den Weg machten. Die Zeltbewohner scherten sich aber den Teufel um die Nässe. An allen Ecken und Enden ihrer Behausung troff das Regenwasser durch die weiten Maschen der Zeltdecke und sammelte sich zu großen Lachen. Gastgeber wie Gäste hatten j a Filzstücke, die sie sich über die Schulter legen konnten. In dieser Wasserdurchlässigkeit wie auch im sonstigen Arrangement unterschied sich der Zeltbau der Zangskar-Nomaden kaum von anderen tibetischen Zelten. Nur hörte die Yakhaardecke, die das Zeltdach bildete, schon 70 cm über dem Boden auf, so daß die Luft noch ganz besonders leicht durchstreichen konnte ; in dem freien Zwischenraum zwischen Zeltsaum und Boden waren Brennholz- und Reisigbündel aufgeschichtet. Ein senkrecht aufgehängtes Stück Wollstoff mit eingeknüpften Fransen bildete vom Eingang bis in die Mitte des Zeltes eine Scheidewand, von der aus man wie immer links in die Frauenabteilung, rechts in den Männer- und Gästeraum gelangte. Die Mitte des Zelthintergrundes nahmen die üblichen Kisten und Tsambasäcke ein. Im Männerraum lagen auf dem Kultplatz Gebetbücher, davor stand ein niederer, breiter Tisch mit vielen Gerste- und Wasserschalen aus Bronze. Die Feuerstelle war wie immer im Somo-Land eine Bodenmulde, überdacht von einem breit ausladenden, eisengeschmiedeten Dreifuß, der die zwanzig Pfund schweren und wie Waschkessel großen Teebecken trug. Auch sie waren aus Bronze und oben, innen wie außen, mit Hakenkreuzen und anderen Symbolen hübsch ornamentiert. Farbige gedrehte Holzgefäße für Butter und Tsamba, mit Steinen verzierte Gabelgewehre und an einem Zeltpfosten rotbraun verschossene, falsche Frauenzöpfe, mit zehn Reihen dunkelroter Korallen gespickt und umwunden mit Silberringen und Bernsteinknollen, bewiesen den Wohlstand der Besitzer.

Wir waren in ein Haus ohne Männer geraten. Der Hausherr oder wahrscheinlicher d i e Herren des Hauses waren seit einer Woche auf Mehlkauf in Kretschiu und wurden nicht vor zwei Tagen zurückerwartet. Die Frauen aber machten vielleicht die Honneurs noch besser. Sie wußten lebhaft zu schwatzen. Im Laufe der Stunden, die wir dort zubrachten, trat noch eine Nonne herein, die von mir verlangte, der jüngsten der drei anwesenden Frauen, einem hübschen Mädchen von achtzehn Jahren, zu weissagen, ob sie Kinder haben werde. Nichts leichter und einfacher als dies! Ich hatte die Kunst, dies auszurechnen, genugsam gesehen. In welchem Jahre des Tierkreises und an welchem Tage und zu welcher Tageszeit sie geboren war, sagte die Kleine mir ohne Besinnen, und dann drehte und schob ich unter den erwartungsvoll aufgerissenen Augen meiner Damen

an meinem Rosenkranz, als ob ich ein hochgelahrter Lama der tantrischen Schule wäre. Die Auskunft lautete günstig, wie sie gewünscht worden war,

und man wurde dadurch sehr zufrieden mit mir. Schnaps gab es darauf und später Milchtee, dann Tsamba mit Tschürra von nicht über Monatsalter. Zum Schlusse aber kam die immer köstlich mundende saure Yakmilch.

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