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0332 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 332 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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regenklaren Tage das Auge sah, über 4400 m hinaus. Dieses grasreiche, zum

Hügelland zerschnittene Stück Hochplateau ist heute die Wasserscheide zwischen

dem großen Yang tse und dem Hoang ho. Ganz langsam nur nimmt dieses Land

— wie ich auf meinen früheren Reisen sah — nach Westen hin an Höhe zu, so

daß endlich bei Horkurma die Sohlen der tiefsten Täler bis über 4200 und 4300 m

und die Berge bis 4600-4700 m gehen. All dies Land ist die Heimat der freien,

frechen ngGolokh und ihrer ungezählten fetten Yakherden.

Erst in meinem Rücken, im Osten, gegen China zu, gab es etwas höhere

Berge. Dort stand Granit an und bildete einige Gipfel von nahe an 5000 m.

Unverkennbar waren in diesem harten Granit die Gletschermarken noch einge-

drückt. Alle Täler hatten dort breite Wannenform und alle Talanfänge zeigten

alte Karböden. Noch auf den Wiesen neben dem Zeltdorf von Ober-Zangskar

lagen große Findlinge, die von diesen Höhen im Osten stammten.

Wir hatten auf diesem Reisemarsche wieder mit den schlimmsten Morästen

zu kämpfen und der Weg war schlecht markiert. Weite Strecken war er über-

haupt nicht zu erkennen. Zu dem anstrengenden Einbrechen in den zähen

Schlamm gesellten sich Blockmeere, die durch zahllose Spalten und tiefe Klüfte

für die Beine der Tiere gefährlich wurden. Die Karawane blieb am Nachmittag

völlig erschöpft auf einem Naka-Felde an einem Berghange liegen.

20. Juli. In der Nacht schlief ich nicht viel, machte ich mich doch mit

Sicherheit auf den Besuch einiger Wurzelgräber gefaßt. Ich erwartete sie nach

meiner Erfahrung in zwei Momenten, sofort nach Einbruch der Dunkelheit

oder erst um Mitternacht, wenn der Mond hinter die nächsten Granithöhen

gesunken war.

Ich saß im Eingang meines Zeltes, hielt mich krampfhaft wach, und die

Gedanken flogen dabei weit, weit über ganz Asien hinweg der Heimat zu, von

der ich wieder so lange keine Nachricht, keine Zeitung vernommen. Ein föhniger

Wind überrieselte mich dann und wann. Die Pferde ratterten mit den Ketten

ihrer Beinfesseln, als ob sie Kettensträflinge wären. Ein Nachtvogel schreckte

mich aus meinem Brüten in die Einsamkeit zurück. Irgend ein kleines Feder-

zeug wurde rasch aufgeweckt, piepste voll Angst zweimal, dreimal. Dann

hörte man eine halbe Stunde lang nur die Sandkörner, 'die der Windhauch

weitertrieb. Ich glaubte so gut wie am hellichten Tage sehen zu können. Wie

lauter blanke Taler schimmern in dem kaltstrahlenden Mondlicht die tausend

runden Tümpel unter mir. Die glatt geschliffenen losen Granitblöcke wollen

bei der fahlen Stille nicht aufhören, meiner Phantasie etwas vorzugaukeln und

wieder und wieder lautlos den Berg hinab zu tanzen.

Endlich schickte sich der Mond zum Sinken an. Dichte Nebelfetzen trieben

jetzt von Westen her in mein Tal herein. In wenigen Minuten waren wir in

schwärzeste Nacht gehüllt. Ich lauerte nun doppelt angespannt.

Wieder und wieder rieb ich mir die Augen aus, als könnte ich danach besser

die Finsternis durchdringen. Bald schweiften aber die unruhigen Gedanken

wieder ab, der Zukunft, der Vergangenheit zu. Da erhob sich die alte

Tschimo, die dicht neben mir zusammengeringelt geschnarcht hatte, lange

schnupperte sie das Tal hinab, machte dann gemächlich ein paar Schritte vor-

wärts, sicherte wieder und war lautlos meinen Blicken in der Finsternis ent-

schwunden. Wenn doch Hunde nur reden könnten ! Sie kann j a auch irgend

ein Wild in der Nase haben! Ein trollender Wolf mag die Antilopen ins Tal

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