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0333 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 333 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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getrieben haben. Jetzt sucht mich Neh` ere auf. Er schmeichelt mir, er will

meine Hand lecken, wie er dies in jeder Nacht einigemal für nötig hält. Da

ist's, als gäb' es ihm einen Stoß, und er jagt mit hellem Anschlag der alten Hündin

nach ins Tal hinab. 100 m vor mir liegen zwei größere Tümpel. Von dort hört

man einen platschenden Ton, wie wenn ein schwerer Körper ins Wasser rutscht

und in der gleichen Richtung — sehe ich dort nicht ein Glühwürmchen glimmen?

Rasch hintereinander gebe ich drei scharfe Alarmschüsse. Nur „Achtung"

sollte dies heißen, nur beizeiten ein: „Hier ist man auf seiner Hut." An den

Tümpeln drunten hört man's hierauf deutlicher patschen, und durch das wüste

Hundegeheul dringen ein paar obscöne chinesische Schimpfworte bis an mein

Ohr. Bald ist es aufs neue totenstill. Es blieb auch still, bis der Morgen dämmerte,

an dem ich mich erst ganz spät erhob und nach meinem Bergsattel zog, der mit

seinen 4390 m tief zwischen 400 und 500 m höhere kahle Granitschroffen ein-

gesenkt lag (Tafel LVIII) .

Von diesem Sattel aus lief genau nordöstlich ein Riesentrog aus Granit.

Er hatte die Länge von 30 km. Alle Seitentäler, die von den umgebenden Granit-

bergen herabkamen, nahmen 150 m über der Sohle des Haupttals ein plötzliches

Ende und alles Wasser, das sie führten, mußte in flachen schmalen Rinnen

an den Wänden des Trogtals hinabfließen. Runde Granitblöcke bildeten an den

Hängen und in dem breiten Grunde des Tals ausgedehnte Felsenmeere, die, mit

Moorgrund abwechselnd, der Karawane kein leichtes Fortkommen schafften.

Keine Viertelstunde verging, ohne daß Tiere stecken blieben oder von den runden

Klippen glitten und in Felsspalten versanken, herausgezogen und neu beladen

werden mußten. Wir fanden hier keine Siedlung und auch keine Spur zeit-

weiliger Besiedlung. Das Tal scheint auch nur ausnahmsweise begangen zu

werden. Nur Murmeltiere und Hasen ohne Zahl bevölkern die hoch stehenden

Weiden und die vielen schönen Lärchenhaine (Tafel LIX).

Am 21. Juli wurde der Wald allmählich dichter. Als wir unter 3700 m

gekommen waren, wurde die Talsohle enger, schluchtförmiger und der Fichten-

hochwald zum schier undurchdringlichen Urwald. In 3600 m — wir waren

eben noch in N 70 ° W streichenden Sandstein eingetreten — stießen wir auf

Weidegründe zwischen den Wäldern und bald auf vier schwarze Zelte. Der Weg

wurde nun zum gut ausgetretenen Pfad, er zog sich aber noch lange hin, so daß

wir erst um drei Uhr nachmittags an die ersten Häuser von Merge gelangten.

Mitten im Tannenwald tauchten Gerste-, Hafer- und Kartoffeläcker auf, und

zweistockige Häuschen, mit Schindeln und moosigen Steinen bedeckt, zauberten

eine friedliche Schweizerlandschaft hervor (Tafel LX). Über den tosenden

Bach, dessen Bett hier noch immer 3450 m Höhe hatte, führten kurz hinter-

einander zwei breite Holzbrücken. Viehzäune und Schweine vervollständigten

den heimatlichen Eindruck. Auf einer Waldwiese auf einer der hohen Tal-

terrassen schlugen wir auch schließlich das Zelt auf.

Bald hatte sich ein Besucher, wie er vorgab, ein Einwohner aus einem der

nächsten Häuser, eingefunden, der mit uns Tee trank und uns versicherte, es

gebe in ganz Merge weder Räuber noch Diebe, wir könnten die Tiere auch die

Nacht über ruhig draußen grasen lassen. Als er gegangen war und wir nach den

Pferden sahen, fehlte gerade mein bestes Reitpferd, und die Spuren seines

Hufbeschlags entdeckten wir erst nach stundenlangem Suchen genau in der

Richtung, in der unser Besuch davongeritten war. Leider mußten wir die

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