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0334 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 334 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Verfolgung bald darauf einstellen, weil die Dunkelheit einbrach und wir erkannten,

daß wir einem ganz raffinierten Roßdieb zum Opfer gefallen waren. Die Spuren

liefen kreuz und quer, weiche Stellen im Boden, wo die Hufnägel sich deutlich

abdrücken konnten, waren ängstlich vermieden.

Mit den ersten Sonnenstrahlen saßen wir am nächsten Tag wieder am Feuer

und beratschlagten, ob es Zweck habe, die Verfolgung noch einmal aufzunehmen,

da knackte es in den nächsten Büschen und unser gestriger Besucher stand wie-

derum vor uns, band seine Rosinante, eine dürre Stute, neben unserem Waka

fest und setzte sich, ohne eine Aufforderung abzuwarten, zum Frühtee nieder.

Als wir von unserem Verluste sprachen, erklärte er eifrig, das Pferd habe sich

sicher in dem dichten Unterholz unten im Wald verlaufen. Wir sollten noch

besser suchen. Ich schickte darum meine drei Gefährten noch einmal auf

die Suche, und während der Fan tse sich dann aufs Pferd schwang und wegritt,

trat ich in mein Zelt, um Instrumente zu holen. Ich kam aber im nämlichen

Augenblick wieder heraus, um den Lagerwächter zu machen, und sah nun

unseren biederen Gast gerade noch hinter einem Busch mit einem meiner Maul-

tiere verschwinden. So leicht wie den Abend zuvor sollte es heute doch nicht

gelingen. Mit wenigen Sätzen holte ich ihn ein, nahm ihm das Tier wieder ab,

riß ihn voll Wut vom Pferd und zwang ihn zum Feuerplatz. Nach einer Stunde

im tête á tête mit dem Spitzbuben, trafen endlich meine drei Leute ein, natürlich

unverrichteter Dinge. Ts`an Rarschdan, der eine der beiden Somo-Burschen,

mußte dem Übeltäter in meinem Namen mitteilen, daß er mit mir ins Merge-

Kloster gehen müsse, um sich wegen des heutigen Diebstahls zu verantworten

und das Verschwinden meines Reitpferdes aufzuklären. Wir packten sodann

zusammen, unser unfreiwilliger Gast half uns diensteifrig beim Aufladen und

weiter ging es nach Nordosten, wo in einer Entfernung von wenigen Li das

Kloster liegen sollte.

Der Pfad führte durch dichten grünen Buschwald. Schon 1 km hinter unserem

Lagerplatz verließ er die Talschlucht. Der Fluß wand sich in einer scharf ein-

geschnittenen Klamm zwischen felsigen Hängen nach Osten und nachdem er

in der Ferne aus Nordosten einen Zufluß erhalten hatte, entschwand er in

südöstlicher Richtung. Wir aber blieben auf unserem Wege in nordöstlicher

Richtung und mußten mitten im Wald einen 3600 m hohen Sattel überschreiten.

Mich nahm die Aufnahme des Wegs und der gewundenen Waldschluchten

vollkommen in Anspruch. Die Diener hatten mit den Packtieren vollauf zu tun,

darum war es für unsern Spitzbuben ein leichtes, von seiner Stute zu gleiten

und im Dickicht zu verschwinden. Da die alte Mähre ruhig in der langen Kette

meiner Mäuler mittrottete, so glaubten jetzt meine Begleiter, vermittels des

Tieres beim ersten besten Merge-Dörfler den Namen des Besitzers erfahren und

dem Spitzbuben doch den Prozeß machen zu können. Ich ließ dies geschehen.

Die Wegaufnahme in dem dichten Wald blieb weiterhin schwierig. Immer

in der gleichen Richtung weitermarschierend gelangten wir nun in ein von

Nordosten kommendes Flußtal, aus dem links und rechts zahlreiche Berggipfel

und kleine Felszacken bis zur alten Höhe von 4000 m emporsteigen. Die Arbeit

hielt mich so sehr auf, daß ich eine ziemliche Strecke hinter meiner Karawane

zurückblieb. Ins Schreiben vertieft, ritt ich langsam weiter. Da springen plötzlich

sechs bis acht Tibeter hinter einem Baum vor und wollen auf mich einhauen.

Vom buschbestandenen Rain prasselt zugleich ein Steinhagel auf mich und

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