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0345 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 345 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Tieren ging's rasch das Karlong-Tal hinauf. Unser viertes Lager stand am Nachmittag bereits halbwegs zwischen dem Paßübergang mit dem schönen großen Lab rtse und dem Merge-Kloster. Wieder fiel am Abend Regenguß über Regenguß, und als wir. am 30. weitermarschierten, regnete es Schnürchen. Trotzdem fühlte niemand Lust, im Lager zu bleiben. Die verrotteten Zelte boten zu wenig Schutz. Naß bis auf die Knochen kamen wir um acht Uhr zu den Häusern am Kloster. Ein jeder Mann meiner Truppenmacht trug einen großen Regenschirm. Die Uniformjacken und die Waffen kamen auf der Kar-longer Ula hintendrein. Unser Einmarsch glich einem Touristenschwarm, der sich durch Scherzen und Singen den Humor erhält. Aber im Kloster angekommen, sollte die Arbeit einsetzen. Ma san ye besuchte Li ding, besuchte einen reichen Bauern, suchte den Nirba des Abtes zu einer langen Teesitzung auf, bis endlich der Regen aufhörte. Es war zuletzt aber nichts herausgekommen. Niemand wollte zuständig sein. Niemand eine Vermittlung übernehmen. Meine Pferde sollten inzwischen unter die Angreifer verteilt sein, die Kisten aber noch dort stehen, wohin sie im ersten Augenblick geschafft worden waren. So halten es die Fan tse stets, wenn der Angegriffene entwischt ist und wenn Gefahr besteht, daß er noch einen Prozeß führt. Ma san ye und der Tsung ye beschlossen, im Kloster zu bleiben und nicht weiter nach Merge hinein zu gehen. Unter-Merge war mit einem Schlage außerhalb des chinesischen Einflußgebiets oder gar nach Mao tschou zuständig. Die Führer waren ratlos und untätig und mürrisch saß die ganze Gesellschaft um ein großes Feuer herum. Um fünf Uhr abends war ihnen das Herz bereits so tief in die Hosen gefallen, daß sie davon sprachen, noch mehr Soldaten holen zu wollen und in der Zwischenzeit nach Karlong zurückzukehren. Als ich jedoch aufstand und allein nach Unter-Merge gehen wollte, um nach meinen Sachen zu sehen, wollte keiner zurückbleiben. Es hatte nur an der Führung gefehlt.

Gerade mit Einbruch der Dunkelheit standen wir am Darro-Haus. Über dem Flusse drüben grasten meine Tiere ohne jegliche Wache. Nirgends war ein Mensch zu sehen. Der Schwarm hatte sich verlaufen. Die Feste waren verrauscht. Es hatte jetzt auch wieder zu regnen begonnen. Kein Hund und vollends kein Mensch mochte seinen warmen Ofen verlassen. Nach meiner Auffassung und Kenntnis der Eingeborenen war deshalb die beste Gelegenheit, sich rasch in den Besitz der Sachen zu setzen. Aber ich war eben der einzige Europäer. Wegen des Regens und der einbrechenden Dunkelheit war nichts weiter zu unternehmen. Zum Glück war der Darro-Kurme wieder dumm, ließ sich einschüchtern und gab mir und den Soldaten den Eingang ins feste Darro-Steinhaus frei. Es lag mir viel daran, das schützende Dach dieses Hauses und seine dicken Steinmauern über und um uns alle zu wissen, denn die armen Fußmilizen, die unterwegs zum größten Teil fußkrank geworden waren, machten jetzt einen noch viel elenderen Eindruck als am Versammlungsplatz in Mao niu gu ich wollte alles aufbieten , sie nicht öffentlich sichtbar zu machen. Im großen Küchenraum kampierten an diesem Abend die Milizen , im Vorraum des großen Saals breiteten sich die Ma tui aus, im dritten Stock fand Ma san ye mit seinem Diener und Neffen in einer Art theologischer Bibliothek des Hausherrn ein Plätzchen. Ich legte mich in die halboffene Holzveranda, wo es zwar kalt war, wo ich aber hoffte, von dem Millionenheer des DarroUngeziefers am ehesten verschont zu werden, freilich ein unnützes Unter-

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