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Meine Tibetreise : vol.2 |
dir
Tsung ye rechtete erregt mit Ma san ye, er habe nur auf seinen Kredit als
Handelsmann gesehen, als er mir nicht gefolgt sei und nicht gleich am ersten
Abend Hand auf mein Gepäck gelegt habe. Einzelne Schreier drohten uns nun
mit Anzünden und Ausräuchern der Darro-Burg während der kommenden
Nacht. Das große Machtaufgebot machte alle Fan tse-Bauern trunken.
Am 2. August wurde lange sechs Stunden verhandelt. Jeder, der den Beruf
fühlte, zu sprechen, mußte angehört werden. Von tausend Händeln war die
Rede. Es hieß heute, dem Verwundeten gehe es viel schlechter, er liege im
Delirium darnieder und sei nicht zu sehen. Sonst hatte man immer Kranke und
namentlich Verwundete zu mir gebracht, warum zeigte man mir gerade diesen
nicht? Immer weniger glaubte ich an die Verwundung. Man wollte heute nur
noch unter der Voraussetzung verhandeln, daß der Mann bereits gestorben sei.
Ein Toter bringt einem Stamm mehr ein und ist in den Augen der Fan tse ein
Mittel, um von dem Raub mehr zu retten. Ma san ye gab nun zu, mit der An-
nahme rechnen zu wollen, als sei ein Tibeter verwundet worden. Da er die
Verhandlungen leitete und nicht ich, so mußte ich mich bequemen, die Ver-
wundung als gegebenen Faktor anzuerkennen.
Am Abend stellten sich ein Lama und ein gut gekleideter Laie, angeblich
ein Häuptling aus dem Koser-Tal, vor unserem Tore ein und kündigten die An-
kunft des Darro an. Der Darro wagte sein kleines Schloß nicht zu betreten,
weil er fürchtete, von den Soldaten als Geisel festgenommen zu werden. Ma
san ye wurde zur Vorbesprechung in ein Nachbarhaus eingeladen. Meine Leute
duldeten ihrerseits nicht, daß ich selbst mich in das Nachbarhaus begebe, weil
sie glaubten, daß es den Tibetern einfallen könnte, mich gefangen zu nehmen,
um dadurch noch mehr herauszupressen. Über den Stand der Verhandlungen
wurde ich durch den Kurme und durch einen jungen Lama auf dem laufenden
gehalten. Zuerst wurde wieder wie zuvor als niederster Preis für die Ablieferung
meiner Kisten 1000 Tael verlangt, weil sie Gold und Moschus enthielten. Ganz
allmählich wurden die Ansprüche herabgeschraubt. Lange verharrten die Tibeter
bei der Forderung von 150 Tael, weil der Verwundete noch sterben werde
und das Massenaufgebot, die Boten zum Darro usw. der Gemeinde so viele Un-
kosten gebracht hätten. Das Massenaufgebot sollte allein 100 Tael kosten.
Alle diejenigen, die bei dem Überfall nicht dabei gewesen waren, stellten eine
Forderung dafür, daß sie bei Strafe eines Yakrindes erscheinen mußten. Mitter-
nacht war längst vorüber, drüben über dem Bache loderten noch immer die
großen Lagerfeuer, als der Darro sich zu 50 Tael herabließ und zwar wurde
folgendermaßen gerechnet : 10 Tael dem Darro für seine Bemühung, seine Reise
bei der schlechten Witterung und die Benutzung seines Schlößchens durch die
chinesischen Soldaten, 10 Tael „kai kou" (Mundöffnung) für die Vermittler
und die Sprecher der beiden Parteien, 20 Tael für Schnaps und für 360 Pfund Tee,
der während des Aufgebotfestes von den Tibetern getrunken worden sei, und
2 Tael für den Boten zum Darro. Der Rest als Schmerzensgeld für den Ver-
wundeten.
Da mich allmählich meine verlorene Zeit und noch mehr die Langeweile in
dem Gefängnis, in der Darro-Behausung, drückte, so erklärte ich mich zum
allgemeinen Staunen, sowie ich von dieser Summe erfuhr, sofort bereit, sie zu
bezahlen. Die Tibeter aber wollten am nächsten Morgen wieder mehr verlangen,
da es ihrem Kranken jetzt wieder ganz schlecht gehe. Wäre der Darro nicht
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