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0348 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 348 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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schon ganz früh in sein Haus und zu uns gekommen, so hätte sich die Lage noch einmal zugespitzt. Noch einmal fiel ein Wust von großmäuligen Drohungen

auf beiden Seiten.

Erst um drei Uhr nachmittags wurden meine Kisten und die Maultiere vom tibetischen Hauptquartier an den Überfallsplatz an die Brücke gebracht. Die Tibeter versammelten sich dort in dem nämlichen Gehölz zu vielen hundert. Dann wurde ich von dem Darro gebeten, mir die Sachen anzusehen, ob alles da sei. Ich kam mit den 50 Tael, die ich noch vor Aushändigung der Kisten zahlen mußte. Ich hatte mir sie von Ma san ye borgen müssen und dabei in Gestalt von meinen zwei Pferden eine Sicherheit stellen müssen, j a selbst einen Damno vergaß der Geschäftsmann nicht. Er wurde mir zu vier Prozent berechnet.

Die Kisten waren nicht eröffnet worden. Von den kleineren Sachen und vom Lagerzeug fehlte nur Unwesentliches. Für das Wenige wurde sogleich Ersatz geschafft. Die Maultiere waren auch alle zur Stelle, dagegen fehlte wieder ein Pferd und keiner wollte etwas von seinem Verbleib wissen. Ich bedeutete dem Darro, daß ich den Preis des Tieres von den 50 Tael abziehen werde. Ma san ye aber, der allein mit mir gekommen war und den Dolmetscher machte, flüsterte mir zu: „Bestehst du darauf, so wirst du es mit dem Leben bezahlen. Du bist inmitten der tibetischen Scharen und Hunderte von Gewehrlunten sind entzündet. Es braucht nur einen Wink des Darro und wir beide sind" — sich unterbrechend fuhr er mit seinem rechten Zeigefinger horizontal an seiner Gurgel vorbei und stumm deutete er nach der Brücke und in das Wasser des Lo hoa. Während der Worte des Alten schob mir ein Lama ein langes tibetisches Schreiben vor. „Unter dieses mußt du noch dein Siegel drücken."

„Ich kann nicht Tibetisch lesen," gab ich zurück und warf gleichzeitig Ma san vor, daß er mir von Derartigem gar nichts gesagt habe. Der schlaue Fuchs aber erwiderte : „Wenn du es nicht unterschreibst, so hast du den Ernährer meiner Familie getötet, denn sie werden mich mit dir zusammen umbringen." So leicht freilich wollte ich mich nicht einschüchtern lassen. Ich nahm das

Schriftstück an mich und bat, es mit meinem Wörterbuch studieren zu dürfen. Aber vergebens ! Ma san ye, der Darro und der Lama drängten mich, gleich

nachzugeben, das Schreiben enthalte nur die Erklärung, daß ich in Tscheng tu

keine Klage einreiche. Schließlich unterschrieb ich den Schriftsatz mit der deutschen Bemerkung : „In der Notlage, umgeben von sechshundert auf mich

gerichteten Flintenläufen." Ich sagte ihnen, so lange sei mein Name. Der Lama,

der Darro und Ma san ye drückten einen mit Tusche beschmierten Finger darunter. Die Tibeter kamen jetzt aus dem Gebüsch heraus. Ich war nun

selbst erstaunt über ihr martialisches Aussehen und ihre Zahl. Sie banden hilfs-

bereit die Kisten auf die schon gesattelten Tiere und fort ging's nach Ober-Merge zu. Die Fußmiliz, die Ma tui, meine Angestellten schlossen sich dem langen Zug

hinter dem Darro-Hause an. Die Fan tse juchzten wild, warfen ihre Mützen in die Luft und talauf und talab schallten ihre Zungentriller. Nur der Alte, der die ganze Suppe angerichtet hatte, lachte nicht. Er wurde vor meinen Augen

ganz jämmerlich verprügelt.

Ich selbst war herzlich froh und fand es billig, mit nur 50 Tael alle meine Notizen, Photographien und mehrere tausend Mark Reisesilber zurückgekauft zu haben. Hätte ich nicht so sehr auf rasche Erledigung gedrängt, so hätte ich

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