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0356 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 356 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Als auch die Musikanten mit ihren großen Trommeln im Tempeleingang verschwunden waren, als der letzte Trompetenbläser vom Tempeldach gestiegen war, verlief sich langsam die Menge.

Talabwärts, außerhalb des Tempelbereiches, hatten Chinesen und Mohammedaner Zelte aufgeschlagen. Farbige Bänder, falsche Korallen, Türkisenmuttererde, fremdländische Stoffe und billige Felle wurden zum Kauf angeboten. Schnaps, der um das Kloster herum nicht verkauft werden durfte, lockte die Durstigen, und die Händler warteten nicht umsonst auf das bunte Volk. Der Schnaps gab dem Tag die Krone und bald hallte es unten im Tal von Liedern und Juchzern. Das Tanzen und Singen dauerte vom Schluß der Vorstellung bis in die Nacht hinein und Mädel und Bub kam dort auf seine Rechnung. Welcher Fan tse versteht sich nicht was aufs Flirten?

Bei den Vorstellungen im Kloster wurden auch Bo lo tse sichtbar. Sie wurden jedoch von allen über die Achsel angesehen, denn die Besucher und alle Klosterleute waren Hsi fan, echte Tibeter vom Scharba-Stamme. Bei vielen erregte das Auftauchen der einfach gekleideten Leute Unbehaglichkeit. Unwillkürlich sagten die Frauen: „Gebt acht, da drüben sind Bo lo tse", und als einem der Zuschauer sein Pferd abhanden gekommen war, wurde sogleich der Verdacht rege : „die Bo lo tse haben es gestohlen".

Bei meinen Einkäufen für die Weiterreise stieß ich in Sung pan ting auf eine setschuanesische Einrichtung, die mir sonst in China nirgends begegnet war. Wenn immer ich in einem Laden mit Silber bezahlen wollte und wir über den Handel einig geworden waren, bat mich der betreffende Kaufmann, mit ihm zusammen zum Silberabwiegen in die „Kwan ping" zu gehen. In einer niedrigen Butike in der Hauptstraße saß ein älterer Herr vor einer großen eisernen Silber-wage. Bedächtig und mit wichtiger Miene betrachtete er durch die großen runden Gläser seiner Hornbrille Silberstückchen um Silberstückchen, die ihm die Umstehenden zuschoben; dann wog er sie und stellte mit seinen langnägeligen Fingern einen Schein über Güte und Gewicht gegen einen kleinen Prozentsatz des Wertes aus. Bedenkt man, daß in der ganzen Handelsstadt Sung pan ting niemand anders als dieser Mann die amtliche Lizenz besaß, Silber zu wiegen, daß keine andere Silberwage in der Stadt für gut gehalten wurde, daß jeder, der mit Silber bezahlen wollte, zu der „Kwan ping" rannte, so versteht man die Wichtigkeit dieses Postens und seine Einträglichkeit. Der Inhaber der Wage mußte seine Lizenz gegen eine Pauschalsumme vom Ting erkaufen. Das Volk war aber so daran gewöhnt, daß nicht bloß das ungemünzte Silber, sondern auch die vier Jahre zuvor eingeführten setschuanesischen Silberdollar von dem Kwan ping-Mann auf Güte und Gewicht geprüft werden mußten. Das Volk erkannte die Einrichtung als Wohltat an, weil man dadurch vor häufigem Betrug, vor schlechtem Silber und schlechten Wagen geschützt war.

Beim Shopping erfuhr ich ganz zufällig in einem Laden, daß sich außer mir noch ein Europäer in der Stadt aufhalte. Vor einigen Tagen war Mons. Dury, Priester der Missions étrangères, in das seiner Mission gehörige Haus eingezogen. Bei meinem Besuche fand ich den überaus liebenswürdigen Franzosen ganz allein mit einem chinesischen Christen als Diener. Seine Mission besaß in Sung pan ein altes einstöckiges Chinesenhaus und hatte im Hintergrund des langen Freihofs das sogenannte Schang fang zu einer Kapelle umgewandelt. Diese wurde aber seit den letzten Christenverfolgungen nur mehr heimlich aufgesucht.

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