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0358 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 358 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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JOE

Linie Gerste, dann Wildhafer, Lein und Buchweizen und unsere Kartoffel. Die Ernte war gerade im Gange. Die Nachttemperaturen hielten sich zwar auch hier noch über null Grad, doch befürchteten die Bewohner schon für die nächsten Tage den ersten großen Frost. Man ist hier gewöhnt, daß die Frucht, wenn sie erst im September eingebracht werden kann, durch Kälte notleidet und durch Reifbildung geschwärzt wird. Die Garben werden, wie auch in Kin tschuan, vom Feld zu hohen Holzgerüsten getragen und dort zum Ausreifen aufgehängt.

Die tibetischen Bauern des Tschang la-Bezirks, die wie die von Sung pan unter dem Namen „Scher ba" (Schar ba oder wa), d. h. „Ostleute", im Inneren Tibets laufen, leben im Gegensatz zu den Kin tschuan-Bewohnern polyandrisch und sind noch Anhänger des Bönbo-Glaubens. Sechs Bönbo-Heiligtümer, aus Holz aufgeführte Tempel mit verschwindend wenigen Priesterwohnungen, liegen unweit von der Stadt. Eines, das Tschimi gomba, befindet sich neben der Brücke über den Min-Fluß, wo sich kleine Wiesenstreifen entlangziehen. Auf einer solchen Wiese schlugen wir Lager. Wir waren aber dort nicht die einzigen Gäste. Dicht neben uns reihte sich Zelt an Zelt und rings um die Zelte waren Pferde angepflöckt. Die Schar ba waren hier schon seit zwei Tagen versammelt, um einen internen Streitfall zu schlichten. In liebenswürdigster Weise wurde ich eingeladen, mich an einem ihrer Waka niederzulassen, wo es Freitee, Tsamba und Schnaps gab. Ich hörte eine Stunde ihren Unterhandlungen zu. Die Alten berichteten, wie es vor vielen Jahren bei dem oder jenem Streitfall gewesen sei. Prozesse von vor 100 Jahren wurden der Jugend des langen und breiten in Erinnerung gebracht. Während ich an dem Waka hockte, kam hoch zu Roß und von Reitern begleitet eine Inkarnation aus dem kaum 400 m entfernten Heiligtum herausgeritten und stieg als oberster Schiedsrichter schwerfällig, würdig vor einem Prunkzelte ab, an dem mit blauem und rotem Stoff allerlei Arabesken und Figuren aufgenäht waren. Es handelte sich bei diesem „Thing" um einen Totschlag. „Es kostet die Familie des Totschlägers 150 Tael," meinte Tschao, einer meiner Führer, die ich in Sung pan gewonnen hatte. „Und zwar werden sie entrichten müssen: 80 Tael für den Toten und dessen Familie, 50 Tael Kai kou (Mundöffnung, die Bezahlung an die Vermittler), daß die Sache überhaupt geregelt wird, 20 Tael Mien pi (Gesichtreinwaschung), die Ehrengebühr an alle Stammesgenossen, in mageren Worten die Kosten der Bewirtung." An der letzteren durfte auch ich diesmal teilnehmen.

Am Spätnachmittag stellten sich mir ein Tsung ye mit Namen Wang, ein Unterleutnant aus Sung pan ting, und drei tibetische Reiter, Milizen aus dem Tschang la-Tale, vor. Der Tschen tai und der Ting von Sung pan hatten es nun doch für gut befunden, mir entgegen ihrer früheren Absage diese Leute nachzusenden; sie sollten mich bis Tao tschou begleiten. Wang Tsung ye war ein sechsundzwanzigjähriger Mann mit glatten Manieren und mädchenhaftem Gesicht, der auf einen etatmäßigen Posten wartete. Er war nun für mein Wohlbefinden verantwortlich gemacht worden. Damit waren wir elf Reiter und hatten doch nur sechs Traglasten. Eine solche Reisegesellschaft anzugreifen, konnte wohl niemand einfallen (Tafel LXV).

24. August. Kurz unterhalb Tschang la beim Bönbo-Kloster Lanri mündet in den Min ho von Westen her aus einem ziemlich steil eingeschnittenen Waldtal ein kräftiges Flüßchen; dem folgten wir am frühen Morgen. 30 Li aufwärts ist die tibetische Grenze erreicht. Ein Wall aus Erde, heute zerfallen und größten-

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