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Meine Tibetreise : vol.2 |
infolge der starken Bestrahlung des flachen Wasserbeckens + 14,5 °. Es war
darum gar nicht so unangenehm, daß wir auf Anraten des Führers vor dem
Betreten des Sees alle wichtigen Sachen, Instrumente, Feuerzeuge u. dgl. in
unsere Hosen gebunden und diese um den Kopf geschlungen hatten und so,
abgesehen von dieser Kopfbedeckung, wie uns der Herrgott geschaffen, unsere
Pferde durchs Wasser zogen oder uns an ganz tiefen Stellen an den Schweifen
der Tiere durch den See ziehen ließen. Der Abend sah uns etwas zähneklappernd
zwar, aber vergnügt bei den Chamä kadya-Zelten, in deren Nähe wir uns zum
Schlafen niederlegten. Die schwarzen Zelte standen hier immer zu etwa einem
Dutzend in einem großen Kreis, in den bei Nacht die Herden, die vielen Schafe
und die wenig zahlreichen Yak getrieben wurden (Tafel LXV) .
Die Nachttemperatur war + 3 ° gewesen, und ein Ritt nach Süden von nur
zwanzig weiteren Kilometern (der Luftlinie nach gemessen) brachte uns am
nächsten Morgen nach So tsong gomba, dem Kloster der Tangsker-Tibeter. Dicht
neben den zerstreut liegenden Häusern des Klosters rauschte der Ho an g h o.
Es war der erste strahlend schöne Tag. Am Morgen hatten noch lange Zeit
dichte Nebelschwaden die Hügel verhängt. Als wir aber um die letzte Ecke
bogen, lag der geheimnisvolle Strom frei vor uns. Ich zitterte vor Freude und
Erregung ob dem gewaltigen Panorama, das zu sehen mich so viele neue An-
strengungen gekostet hatte, das ich aber nun voll und ganz genießen und in
mich aufnehmen konnte.
In Bögen von gigantischem Ausmaß kamen die trüben, schon hier gelblich-
grauen Fluten des „Gelben Stromes", versunken in Alluvionen, von einem
fernen Gebirge , weit aus Südwesten (mit 250° nach der Magnetnadel) auf
unseren Standort zu, um nun ganz plötzlich die Richtung eines breiten Zuflusses,
der von Südsüdosten hereinströmt, aufzunehmen und zusammen mit dessen
reineren Wassern die Mäander nach Nordwesten zu kehren.
Gerade an dem Scheitel der Kehre liegt das Kloster So tsong gomba, das eine
Fähre über den Hoang ho und über den großen Tributär, den Ga tschü (Weißen
Fluß), unterhält. Nirgends in der Umgebung dieses wichtigen Wendepunkts,
in dem das Niveau des Flusses 3430 m über dem Meere liegt, sind höhere Berge
und nie vorher hatte ich einen so weiten und prächtigen Ausblick über den
Ma tschü. Es war für mich der denkwürdigste Punkt an dem 4470 km langen
Riesenstrom , von dem ich im Laufe der Jahre 2300 km mit eigenen Augen
gesehen und einen sehr großen Teil davon zu Papier gebracht hatte 1). Im
Osten , an der Außenseite des Scheitels , stößt sich der Strom an eine
Terrasse, auf der das Kloster 3448 m hoch liegt, und von der ich meine
Ansichten (Tafel LXVI) aufnahm; hinter ihr erheben sich mäßig hohe Gras-
hügel. Die Ebene des Hoang ho zeigt im Mittel 5 km, an dem Zu sammen-
fluß und Wendepunkt aber 10 km Breite. Der Fluß hat eine Breite von
durchschnittlich 360 m bei 4 m mittlerer Tiefe und 1,3 m Geschwindigkeit an
der Oberfläche. Erst ganz am Horizont im fernsten Süden und in Westsüdwest
vermochte ich einige Gipfel zu erkennen, die eine Schneekappe trugen und weit
über das allgemeine Höhenmaß der Berge von 4000 oder 4200 m herausragten.
Die Ebene war zur Zeit meines Besuches unbewohnt. Im Winter aber halten
1) Die Kehre liegt nach meinen Beobachtungen in 102° 15' 36" östl. v. Gr. und 33° 33' 30" nördl. Br.
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