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0368 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 368 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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infolge der starken Bestrahlung des flachen Wasserbeckens + 14,5 °. Es war

darum gar nicht so unangenehm, daß wir auf Anraten des Führers vor dem

Betreten des Sees alle wichtigen Sachen, Instrumente, Feuerzeuge u. dgl. in

unsere Hosen gebunden und diese um den Kopf geschlungen hatten und so,

abgesehen von dieser Kopfbedeckung, wie uns der Herrgott geschaffen, unsere

Pferde durchs Wasser zogen oder uns an ganz tiefen Stellen an den Schweifen

der Tiere durch den See ziehen ließen. Der Abend sah uns etwas zähneklappernd

zwar, aber vergnügt bei den Chamä kadya-Zelten, in deren Nähe wir uns zum

Schlafen niederlegten. Die schwarzen Zelte standen hier immer zu etwa einem

Dutzend in einem großen Kreis, in den bei Nacht die Herden, die vielen Schafe

und die wenig zahlreichen Yak getrieben wurden (Tafel LXV) .

Die Nachttemperatur war + 3 ° gewesen, und ein Ritt nach Süden von nur

zwanzig weiteren Kilometern (der Luftlinie nach gemessen) brachte uns am

nächsten Morgen nach So tsong gomba, dem Kloster der Tangsker-Tibeter. Dicht

neben den zerstreut liegenden Häusern des Klosters rauschte der Ho an g h o.

Es war der erste strahlend schöne Tag. Am Morgen hatten noch lange Zeit

dichte Nebelschwaden die Hügel verhängt. Als wir aber um die letzte Ecke

bogen, lag der geheimnisvolle Strom frei vor uns. Ich zitterte vor Freude und

Erregung ob dem gewaltigen Panorama, das zu sehen mich so viele neue An-

strengungen gekostet hatte, das ich aber nun voll und ganz genießen und in

mich aufnehmen konnte.

In Bögen von gigantischem Ausmaß kamen die trüben, schon hier gelblich-

grauen Fluten des „Gelben Stromes", versunken in Alluvionen, von einem

fernen Gebirge , weit aus Südwesten (mit 250° nach der Magnetnadel) auf

unseren Standort zu, um nun ganz plötzlich die Richtung eines breiten Zuflusses,

der von Südsüdosten hereinströmt, aufzunehmen und zusammen mit dessen

reineren Wassern die Mäander nach Nordwesten zu kehren.

Gerade an dem Scheitel der Kehre liegt das Kloster So tsong gomba, das eine

Fähre über den Hoang ho und über den großen Tributär, den Ga tschü (Weißen

Fluß), unterhält. Nirgends in der Umgebung dieses wichtigen Wendepunkts,

in dem das Niveau des Flusses 3430 m über dem Meere liegt, sind höhere Berge

und nie vorher hatte ich einen so weiten und prächtigen Ausblick über den

Ma tschü. Es war für mich der denkwürdigste Punkt an dem 4470 km langen

Riesenstrom , von dem ich im Laufe der Jahre 2300 km mit eigenen Augen

gesehen und einen sehr großen Teil davon zu Papier gebracht hatte 1). Im

Osten , an der Außenseite des Scheitels , stößt sich der Strom an eine

Terrasse, auf der das Kloster 3448 m hoch liegt, und von der ich meine

Ansichten (Tafel LXVI) aufnahm; hinter ihr erheben sich mäßig hohe Gras-

hügel. Die Ebene des Hoang ho zeigt im Mittel 5 km, an dem Zu sammen-

fluß und Wendepunkt aber 10 km Breite. Der Fluß hat eine Breite von

durchschnittlich 360 m bei 4 m mittlerer Tiefe und 1,3 m Geschwindigkeit an

der Oberfläche. Erst ganz am Horizont im fernsten Süden und in Westsüdwest

vermochte ich einige Gipfel zu erkennen, die eine Schneekappe trugen und weit

über das allgemeine Höhenmaß der Berge von 4000 oder 4200 m herausragten.

Die Ebene war zur Zeit meines Besuches unbewohnt. Im Winter aber halten

1) Die Kehre liegt nach meinen Beobachtungen in 102° 15' 36" östl. v. Gr. und 33° 33' 30" nördl. Br.

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