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0374 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 374 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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hinter uns das Obo-kopf e, an dessen Südhang die Priester von Rao gomba ihre schäbigen Lehmhütten stehen haben. Den Norden der Nima long begrenzt eine lange Kalkfalte, die, durch zahllose schroffe, weiße Felsen ausgezeichnet, Hunderte von Kilometern in N 55 ° W-Richtung sich erkennen läßt und noch im Norden von Tschang la den Horizont abschließt. Eine ganze Reihe ungewöhnlicher Bergformen hat die Phantasie der Eingeborenen befruchtet, hat Sagen entstehen lassen und Götterthrone errichtet. Im Radang-Land fällt der Ani lhakang (ausgespr. : el hágu) in die Augen. Er liegt an der Grenze von Radang und Sare und wird schätzungsweise 4500 m Höhe haben. Im Norden von ihm beginnt das Gebiet der berüchtigten Täwo kiang ts`a und der Lehen-

staaten des Dschoni Tu se.

Wir hatten eben die rDo ro-Furt überschritten und beschäftigten uns mit Stiefel- und Hosenanziehen, als drei Reiter auf schnittigen Pferden sich uns näherten, ein Herr, ein Priester und ein Knecht. Der Knecht hatte ein Handpferd am Zügel, das ein paar Decken, sowie Teekanne, Kochkessel und Mehlsack trug. Der Herr hatte sich einen schönen Pelzhut aus Luchsfell über die Ohren gezogen, trug eine blaue Pulo-Schaube mit weißen Kreuzchen darauf und mit 20 cm breiter Borte von Yün nan-Leoparden; sein linkes Ohrläppchen zog ein schwerer goldener Ring so stark in die Länge, daß noch ein Lederriemchen als Hilfstragkraft über die Ohrmuschel laufen mußte. Tschemotscho erkannte den Herrn und rief ihn an, als er schon stumm und mit finsterer Miene an uns vorbeigeritten war. Es war der Bon von Chamä. Er kam aus dem Soldatenlager von Täwo kiang ts`a. Alle Herren der Zwölf-Bu waren von dem Sung panschen Offizier geladen worden, um den Krieg beendigen zu helfen. Vor zwei Tagen hatten die von Täwo kiang ts`a klein beigegeben und der Bon war jetzt auf dem Heimweg. Die von Radang aber hatten nach der Beilegung der TäwoSache 400 Tael von dem Lan tschouer Hsie tai verlangt. Dieser Oberst hatte geduldet, daß seine Soldaten das Kochholz aus den Häusern, aus den Wänden und Dächern der Radang-Winterwohnungen rissen, anstatt es sich im Walde zu suchen. Der Hsie tai hatte die Radang wegen ihrer Forderung angelacht und da hatten die 280 Krieger des Stämmleins sich gestern aufgemacht, hatten die 3000 Kan su- und Se tschuan-Soldaten angegriffen, mit Steinwürfen, mit Peitsche und Luntenflinte hinter die massiven Steinwälle ihres Lagers gejagt

und der Kavallerie nach diesem Handstreich die Pferde weggenommen. Mit 89 Beutepferden kamen sie heim zu ihren Zelten, die auf der Nima long östlich

des kleinen Sees Mou ts`o lagen. Freilich, so genau erfuhren wir zunächst den

Sachverhalt vom Bon noch nicht. Im Durchreiten durch den Fluß klang's nur zu Tschemotscho : „Bist du denn verrückt geworden? Mit so wenig Leuten

kannst du Radang doch nicht in den Rücken kommen? Oder weißt du denn

nicht, daß hier gekämpft wird? Hört ihr nicht das Schießen? Schaut doch nach Norden an den Fuß der Kalkberge. Seht die lange Linie, seht den Steinwall,

den die Weiber und Kinder von Radang hinter dem Rücken der Kämpfenden

errichten, hinter den dunkeln Gruppen, aus denen heraus die weißen Rauchwölkchen sich lösen. Die Chinesen wollen ihre Pferde wieder. Wenn ihr euch

von Radang erwischen laßt, so werdet ihr diesen willkommene Geiseln sein, und wenn sie Tote haben, so werden sie Rache an euch nehmen." Und vom anderen Ufer des nDam tschü klang's noch zu uns : „Und recht hat der Radang." Dem Tsung ye war kaum ein Wort verdolmetscht worden, da riß er sich

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