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0381 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 381 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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garnisoniert. Die Altstadt aber bewohnen vor allem Mohammedaner, die im Mittelpunkt der Stadt eine schöne alte Moschee besitzen (Tafel LXIX). Viele von ihnen trugen wie die Salaren keine Zöpfe. Auch hier sind es die Mohammedaner, die den Handel mit den Tibetern in Händen haben. Wo im Ts`ao ti hatte ich nicht diese mutigen Leute getroffen? Sie sind es auch, die, weil die Umgegend wegen des allzu kurzen Sommers noch wenig Weizen liefert, aus dem Min tschou-Bezirk Weizen herauf bringen , die alljährlich an die 10 000 junge, tibetische Pferdestuten im Hinterland zusammenkaufen und sie nach Sehen si und Schan si zur Maultierzucht treiben. Außerdem wird noch Handel mit Pelzen, Häuten, Moschus, Getreide getrieben. Alles in allem dürfte sich der gesamte Handel des Bezirks auf etwa 600 000 Mark belaufen.

Die Altstadt sieht jedoch nicht wohlhabend aus. Die Einwohnerzahl beträgt 8000-9000 und die Eingeborenen sind sehr arm. Der AltstadtYa men, in dem der Platzhauptmann untergebracht ist, war in einem völlig verwahrlosten Zustand. „Es ist ein Altertum," scherzte sein lustiger Inhaber , „stammt aus der frühesten Ming-Zeit und ist seither nicht mehr geflickt worden, weil keiner von uns Hauptleuten so viel verdient, daß er das Haus reparieren lassen kann. Wenn es regnet, so habe ich mit meiner Familie nur ein einziges trockenes Tsch` ien (kien = Hausfach) im ganzen Gebäude. Daß dieses Tsch` ien nicht im Schang fang liegt, konnte ich mich überzeugen, als wir dort bei einer Einladung zusammen aßen; denn im Schang fang konnte man durch die Dachsparren zwischen den zerbrochenen Ziegeln hindurch in den Himmel sehen. Der Herr Hauptmann wurde dadurch als echter Bannermann und Krieger nicht irritiert und wußte jedem Ding eine humoristische Seite abzugewinnen. Unter den vielen Schnurren, mit denen er unser Festmahl würzte, ist mir die Erzählung von einem Hsien im Gedächtnis haften geblieben, der im Sommer zuvor auf die amtliche Anfrage aus Lan tschou, ob ihm in seinem Bezirk ein Erzvorkommen bekannt sei, keinen Augenblick verlegen war und eine bejahende Antwort gab. Als ihm dann der Besuch eines belgischen Ingenieurs angekündigt wurde, den das Gouvernement angestellt hatte, ließ er rasch einen kleinen Schmelzofen errichten und sein erzführendes Gestein verhütten. Bei Nacht, wenn der Ingenieur schlief, wurde zentnerweise Eisen dazu-geschüttet und so ein sehr schönes Resultat erzielt. Das schlechte belgische Gutachten über das Gestein straften die aus dem Hochofen abfließenden Eisenmassen des Hsien nur zu deutlich Lügen. Der Mandarin bekam darum auch bald ein Kapital aus der vizeköniglichen Schatulle zur Eröffnung eines großen Hüttenbetriebs. Bis seine Dienstzeit abgelaufen ist, kann er nach Lan tschou berichten, daß die Eisenmine verschüttet oder plötzlich unergiebig geworden ist, auch kann er damit rechnen, daß seine Vorgesetzten mittlerweile gewechselt haben und die Sache bei den Akten vergessen ist.

Die Tao tschou-Altstadt ist heute noch eine Exklave Chinas im tibetischen Amdo-Land. Ringsum bestellen tibetische Bauern die Felder. Aber vor mehr denn 2000 Jahren saßen dort, im damaligen Tao tang, doch schon die Chinesen und zwar weit fester als heute. Dem Löß und dem roten, weichen „ Quetä-Ton" folgend sind sie vorgedrungen und haben der erstaunlichen Höhenlage zum Trotz ihre Felderterrassen angelegt, haben eine ganze Reihe von festen Plätzen bis in 3000 m Höhe gebaut. Es lag hier eine kraftvolle Grenzwacht gegen die Westvölker, als diese noch nicht zersplittert und ihre Kräfte noch ungebrochen

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