National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
| |||||||||
|
Meine Tibetreise : vol.2 |
am 20. September mit fliegenden Fahnen aus dem Tibeterland heraus und saß
dabei vergnügt und stolz lächelnd auf einem Rosse, dem der lange Schweif
— in asiatischen Augen die Hauptzier eines Pferdes — mit Stumpf und Stiel
weggeschnitten war. Klein-Radang hatte in nichts nachgegeben, bis es seine
450 Tael ausgezahlt erhalten, und dann wagte es noch, oder hatte vielmehr die
Frechheit, die geraubten Pferde zum Hohne mit abgeschnittenen Mähnen und
mit blutenden Schwanzrüben abzuliefern. Die Kaufmannsgilde von Tao tschou
raste vor Wut über die feige Tat der Offiziere. „So wäre der Kriegszug besser
ganz unterblieben", murrten sie. Der Oberst blieb deshalb auch nicht lange in
der Altstadt. Auf dem Marsche sahen seine Truppen recht gut aus und boten
ein schönes Bild, obwohl immer im Gänsemarsch marschiert werden mußte. Die
Hälfte der Mannschaft war mit modernen Repetiergewehren bewaffnet, der
Rest mit alten Mausern. Von je tausend Mann waren dreihundert mit langen
Lanzen ausgestattet, an denen beim Einzug in Tao tschou riesige, dreieckige
Banner in allen Farben flatterten. Hinter jeder Abteilung ritt der dazugehörige
Offizier und gab acht, daß ihm kein Mann abhanden kam. Mußte einer aus
irgend einer Ursache zurückbleiben, so hatte er zuvor sein Gewehr abzugeben.
Der Train war erstaunlich klein und bestand aus Yakochsen, einer Ula von
Merema und Tawa. Mit großer Sorgfalt wurden in dem endlosen Zuge die großen
kupfernen Zehnmann-Kochtöpfe und die Opium- und Tabakspfeifen der Mann-
schaften, sowie die schlecht verpackten Kleinigkeiten der Offiziere durch Sol-
daten getragen. Die Mannschaften hatten außer ihren Gewehren nur ihre
wenigen Kattunkleider bei sich und gingen in Hanfsandalen, was bei den
schlechten Wegen, den vielen brückenlosen Bächen, den glatten Steinen und
dem endlosen Auf und Ab sicherlich das Beste war.
Als Reste aus der alten Mongolen- oder Tu ku hun-Zeit haben sich in den
Bezirken von Tao tschou, Min tschou und Di dao tschou bis heute eingeborene
Herrscherfamilien erhalten. Der mächtigste ist der Yang Tu se, der Fürst von
Dschoni. Er herrscht heute nur über Tibeter, über achtundvierzig Stämme,
die ihm jährlich kleine Geschenke bringen. Seine Lehensländer greifen im Süden
bis nach Se tschuan hinein. Bei der Mehrzahl seiner Untertanen hat er freilich
wenig mehr zu sagen. Sie berauben Kaufleute und führen Kriege, wann es ihnen
die indischen Grenzländer, sondern auch für China und seine Tang-Kaiser ein gefährliches Reich geschaffen hatte und seine „Tu fan" — wie die Chinesen seine Untertanen nannten — unter seinen acht Nachfolgern (btsan bo tituliert) oder vielmehr unter deren Hausmeiern wieder und wieder in Kan su einfielen. Mit einem großen Kraf t-aufwand hatten ihnen die Chinesen die Stadt Sche bu tscheeng schon im Jahre 729 wieder abgenommen, sie aber nach kurzer Zeit (741) ein weiteres Mal verloren. Kaiser Hsüan Tsung ließ hierauf wieder und wieder die Stadt belagern. Endlich bei der Belagerung von 749 wurde drei Tage und Nächte ohne Unterlaß von den Chinesen das kurze Mauerstück gestürmt und so schließlich die kleine Garnison derartig ermüdet, daß sie überrannt werden konnte. Von 60 000 chinesischen Soldaten, die diese Belagerung aufnahmen, sollen mehr als die Hälfte geblieben sein. Nach diesem Sturm wurden die Befestigungen von Grund aus zerstört. Aber auch diese Besetzung des Gebiets von Sche bu tsch`eng durch die Chinesen war nur von kurzer Dauer. Die Tu fan nützten die Schwierigkeit , in die die Tang-Dynastie durch den Rebellen Nan lu schan geriet, aus und 763 bereits zogen sie von hier aus im Verein mit den Resten der Tu ku hun, nachdem nicht bloß Tao tschou, Min tschou, Ho tschou, sondern auch Lan tschou und Ts`in tschou, kurz ganz Lung yu, das heutige Kan su, in ihre Hände gefallen war, in der Kaiserstadt Hsi ngan fu ein.
20 II.
305
|
Copyright (C) 2003-2019 National Institute of Informatics and The Toyo Bunko. All Rights Reserved.