National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0388 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 388 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000264
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

 

 

 

       

MOE

 
           

Missionshofe festgebunden blieben und nicht mit den Lasttieren weiterziehen sollten. Lange hörte ich die Tschimo noch heulen, herzerweichend gilfte sie, als ich um die nächste Häusergruppe geritten war. Es war mir ein großes Anliegen, die treuen Kameraden gut unterzubringen, ehe ich das warme Tiefland betrat. Zufällig starb gerade während meiner Anwesenheit der Wachhund Mr. Ruhls, und Neil' ere konnte an seine Stelle rücken. Ob Tschimo auch auf die Dauer bei den guten Missionaren blieb, habe ich nicht erfahren. Sie sah gar nicht mehr stattlich aus und hatte gerade am Tage vor meiner Abreise Mrs. Ruhl großes Herzeleid bereitet. Ein Stolz der Hausfrau waren die jungen Enten und Hühner, die gar vergnügt im hinteren Hofe gackerten. Tschimo war auch dort angebunden, machte stundenlang ein säuerlich-frommes Gesicht, dann aber zog sie entschlossen am Strick, mit dem sie festgebunden war — durchbeißen konnten ihn die alten Zähne nicht mehr — schlüpfte gewandt heraus — und eins, zwei, drei Hühnchen waren im Handumdrehen samt dem ganzen Federkleid in ihrem Magen verschwunden. Die Alte hatte eine fabelhafte Fertigkeit auf meinen Reisen bekommen, Murmeltiere, Fasanen und Mäuse zu haschen, und fand jetzt auch zahmes Geflügel ganz schmackhaft. Mich aber setzte ihre Untat in große Verlegenheit, denn in Tao tschou sind Hühner und Enten noch rar. Der Schaden war für mich nicht so leicht zu ersetzen. Die Einwohner halten es mit den Tibetern und finden nicht den gleichen Geschmack an Hühnern, den der Chinese des Unterlands im allgemeinen daran hat. Tschimo hatte nie gelernt, auf ihren Namen zu hören. Sie tat nur, was ihr gut dünkte; aber sie war der beste Wächter in der Steppe, lag nachts immer dort, wo eine Gefahr drohte, wo sie die beste Witterung bekommen konnte. Lagerten wir unterhalb eines Passes, so ringelte sie sich oben auf der zugigen Höhe zusammen, lagerten wir zwischen Dünen, so schlief sie auf dem höchsten Dünenkamm.

Ehe man von der Altstadt die westliche Grenzmauer erreicht, ist die Bevölkerung schon längst rein tibetisch geworden. Die Männer, die dem Wanderer begegnen, gehen im Waffenschmuck und die Frauen haben große Füße und die

tibetische Zöpfchenfrisur. Wir passierten nach dreieinhalb Stunden die Grenzmauer im Gambo e a ngan men. Die Mauer ist 5 m hoch und 3 m dick und

wie die Reste bei Yang ba tsch`eng aus dünnen Schichten gestampften Lösses

gebaut. Eine Soldatenwache erhebt von jedem Mann fünf Cashstücke als Zoll. Viele reiten deshalb außen herum, was ohne Schwierigkeiten möglich ist, da die

Mauer nur an der Hauptstraße und im Talgrund vorhanden ist, auf den flachen Höhen aber fehlt und dort wahrscheinlich vor alters schon „gesqueezt" worden ist.

5 km einwärts vom Tor Gambo t`a ngan men liegen die Reste der Niu tu tsch` eng, einer angeblichen Mongolenstadt (Tu ku hun ? ), die mir trotz ihrer dreieckigen Form wie ein Konzentrationslager hinter der Mauer vorkam. Genau westlich davon und südlich von unserem Tor liegt das Dorf und Tor von Gu ör tschan, Professor Futterers Gudä, mit der Straße, die dem Tao ho-Tale aufwärts folgt. Dort kamen 1899 Oberamtmann Holderer und Professor Futterer auf ihrer denkwürdigen Reise durch, nachdem sie wenige Tage zuvor von den Laringo-Tibetern bei Kloster Hsin se überfallen und beraubt worden waren. Durch das gleiche Tor wurde wenige Jahre vor den beiden Süddeutschen die kühnste Tibetreise angetreten; bei Nacht und Nebel entwischte dort 1892 Miß Annie Taylor mit einer Dienerin, einer Lhasa-Frau, mit deren Mann und einigen

           
           
           
           
           
           
           

308