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0398 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 398 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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schein. Es war ein berückender Ausblick. Stark duftenden Weihrauchgeruch trug der Wind mir zu und bange Stille herrschte überall, und nur dann und wann wurde die Ruhe, der lamaistische Klosterfrieden, durch das Heulen einer Dungba-Posaune wie durch einen Sirenenlaut gebrochen.

Labrang, zu deutsch die Residenz des Lama 1), ist die größte Lamaserei, die mir je vor die Augen gekommen. Mit Traschilhumbo und den Klöstern um Lhasa ist es einer der wichtigsten Plätze Tibets. Es wurden in den amtlichen und in Peking anerkannten Listen 500 wirkliche Lama oder Obermönche, 3600 Geslong und „slobon", Stellen für geprüfte Doktoren und Magister, aufgeführt, die jährlich etwas Teegeld von der Regierung erhalten, 5000 und mehr unge-prüf te Dschraba und Wanda lernen und dienen unter den vorgesetzten Lama oder sind Mönchsartisten und Spezialisten der Musik, der Zauberei oder Medizin. Mein Führer meinte, den Mund voll nehmend : „Wir sind hier 10 000 Lama alles in allem." 28, nach anderen Quellen 30 „sprisgu" (sprul sku, mongol. : khubilgan, chin. : huo fo) hatten zurzeit in Labrang eine Wohnstätte, einen Seng kang (s wie franz. : z) zu jeweiligem Aufenthalt; und an wichtigen und hervorragenden Heiligtümern, auf die man die vielen Pilger aus Amdo, aus der Mongolei, Innertibet, ja selbst aus Rußland, aus den Wolga- und Baikalländern, aufmerksam macht, zählt man achtzehn auf und prahlt damit großmaulig. Nur achtzehn von den Huo fo ye sollen freilich große und mächtige Herren sein, und streng genommen ist das Kloster ein Konglomerat von achtzehn Heiligtümern. Labrang wie alle größeren Gelugba-Klöster hat im übrigen die Ämter der rGesku, der bTschang dsod, der Rechner, und als Vorsteher für den Kult die T`scheba, Om mdsad usw. Es verdankt seine Entstehung allein den Khoschoten und soll erst von einem Enkel Guschri Khans angelegt worden sein. Der Klosterfürst (ein Kambo) ist die Inkarnation Tschayan schagba (chin. : Tscha [Dyad mu yang), tibetisch meist Gebichih` rembodyi genannt, die heute mächtiger ist als die Familie der Stifter; sie bestimmt, wer in den Provinzen, in Ngula Lharde zum Beispiel, regiert.

Rings in den engen Bergschluchten, in Höhlen und Häuschen sind Retraiteplätze, Eremitagen, in die sich fromme oder gelehrte Asketen vorübergehend oder dauernd zurückziehen, teilweise für den Lebensrest einmauern lassen, um von den Sünden und Versuchungen dieser Welt verschont zu bleiben, um nicht bloß das lasterhafte Chinesen- und Weiber-„gai” zu meiden, sondern auch fern vom großen Kloster mit seinen vielerlei netten, kleinen Freuden zu sein, hassend den Wein und das Weib und allen weltlichen Gesang mit seinen sündevollen Lobpreisungen.

Vom „gai" kommend — da der Geslong mich nicht ins Klosterinnere brachte, mußte ich meine späteren, wiederholten Besuche immer allein machen — trifft der Pilger zuerst rechter Hand auf ein großes, schönes, weißes Tschorten, das er betend zu umschreiten hat. Den lieben langen Tag umkreisen es einige Männer und Weiber, weil mehr als hunderttausend Ts`a ts`a und Buddha-figuren aus Lehm darin aufbewahrt sein sollen, die alle bösen Einflüsse, Kobolde und Gespenster, die talaufwärts hergeflogen kommen, vom Kloster abhalten. Zwei große Längsstraßen führen von unten in die Klosterstadt selbst hinein)

1) Geschrieben bla brang und nicht etwa lhabrang. Das weltliche Analogon davon

ist pobrang, d. i. die Fürstenresidenz. (Der Kaiserpalast in Peking heißt Gong ma po brang, die Residenz des Höchsten.)

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