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0399 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 399 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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während ein dritter und vierter Weg im Süden und Norden außen um das Kloster herumführen und Teile der Ringstraße bilden , die jeder Pilger einmal begangen haben muß. Ich brauchte auf ihr zwei Stunden, um die ganze Anlage zu umwandern; freilich war ich die längste Zeit in Begleitung eines jungen Mönchs und mußte mit dem Rosenkranz in der Hand jede der zahllosen, großen, knarrenden Gebetstrommeln in Schwung versetzen. Ich dachte zuerst daran, die vielen Trommeln, deren jede 1/2 m hoch ist und ein hundert Klafter langes Gebet enthält, mit Hilfe des Rosenkranzes zu zählen — es sollen über zweitausend sein -- aber mein Begleiter, der wie zufällig sich zu mir gesellt hatte, paßte so scharf auf, ob ich alles richtig mache und die gemurmelten „Om" mit dem Rosenkranz nachfingere, daß ich mein Vorhaben bald aufgab. Die Gassen im Inneren sind ziemlich breit. Viele Passanten sind an Werktagen darin nicht zu sehen. Die Mönche halten sich meist in ihren Zellen auf, sind sie doch berühmt für ihren Fleiß und ihre Strenge. Ich wandelte zumeist allein in den Gassen umher, immer eingeschlossen zwischen hohen Lehmmauern, über die ihre Besitzer aus Kübeln von oben her weiße Kalkmilch hatten fließen lassen; nur da und dort bietet ein verschlossener Torweg, ein gedeckter Eingang in die geräumigen Höfe eine Unterbrechung der Einförmigkeit. So gelangt man schließlich, ohne viel zu sehen, bis in die Nähe der Hauptheiligtümer, die, eines dicht neben dem anderen, an die westliche Bergwand angelehnt sind und die höchsten Punkte der ganzen Klosteranlage einnehmen (Tafel LXXI). Alle Häuser sind echt tibetisch in der nach oben sich stark verjüngenden Bauweise aus Steinen, Lehm und unter einem großen Aufwand an Reisig und Holz gebaut. Sie haben horizontale Dächer aus gestampftem Lehm, die besseren und die Tempel zeigen, das flache Dach umschließend, eine breite Brüstung, die das Gebäude höher und größer erscheinen lassen soll. Während der chinesische Tempelbauer, der Ya men- oder Palastgründer, seine Freude an der Ausdehnung in der Fläche hat und mit beispielloser Platzverschwendung die einstockigen, komplizierten Giebelhäuser in eine schöne Parklandschaft, zwischen Felsen und Seen stellt, will der tibetische Architekt immer hoch hinauf; als ob er sich in einen Kampf mit seinen Bergtitanen wagen wollte, baut er möglichst viele Stockwerke übereinander und läßt diese nach oben sich kunstvoll verjüngen, um dem Auge vorzutäuschen, das Haus sei noch viel, viel höher, als es schon in der Tat ist.

Der kleinste „sprisgu" muß in Labrang ein mehrstockiges Haus haben, das er außen dunkelrot und gelb bemalt. Und wenn es seine Mittel erlauben, setzt er sich oben auf sein flaches Lehmdach völlig unorganisch noch einen kleinen Chinesentempel, eine chinesische Dachkonstruktion mit aufgebogenen Enden, wie er sie bei seinen Besuchen in Peking sah; Chinesenmietlinge müssen ihm diese machen. Ist er unvermögend, so begnügt er sich mit einigen goldenen Zieraten auf seiner Dachterrasse ; ist er aber mächtig und reich, so hat das Chinesenhaus auf seinem Dach feuervergoldete Bronzeplatten anstatt Ziegeln und wäre wohl kaum kleiner als die doppelten und dreifachen Golddächer der Haupttempel, würden ihm nicht die strengen Satzungen der Gemeinde und Sekte gewisse Einschränkungen auferlegen und genaue Vorschriften geben, wie viele und wie große Golddächer ihm erlaubt sind. Der Tibeter muß den Mund voll nehmen, er will in den Zeltlagern, an dem Waka in der Steppe draußen sagen können, unser Tempel ist noch viel, viel höher, hat vier, sechs, acht Etagen, unser Allerheiligstes hat drei goldene Dächer, hat tausend goldene Spitzen.

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