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0400 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 400 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Darum sind auch an Tempeln ganze Fensterreihen nur Scheinwerk, sind die Fensteröffnungen innen vermauert oder vernagelt oder ist das Fenster überhaupt

nur gemalter Schmuck. Ein wirkliches Bedürfnis für die Höhe der Tempel ist auch hier nicht vorhanden, die Götterbilder sind selten so hoch. Oft reicht das Mittelschiff des Tempels auch gar nicht bis unter das Dach hinauf, sondern die obersten zwei, drei Stockwerke sind völlig ausgebaute Bodenräume, die leer stehen. Die Erbauer wagten nicht, das Innere der obersten Stockwerke wie unten nur mit einfachen Holzgalerien zu umsäumen und zu stützen. Die Galerien und die einzelnen Stockwerke werden von vertikalen Holzsäulen getragen. Der tibetische Tempel und das tibetische Haus ist im Grund wie das chinesische ein Holzhaus, eine Holzkonstruktion, umschlossen von einem getrennten Steinmantel. Die Mauern haben nichts zu tragen. Das Mauerwerk ist dazu zu schlecht, besteht nur aus Feldsteinen, der verwendete Mörtel ist ja Lehm oder Löß. Auch das Behauen und Zusammenfügen von Steinen ist nicht beliebt, und gebrannte Ziegel fertigt der Osttibeter nie an.

Wie die ganzen Gebäude, so verjüngen sich auch die Fenster nach oben, wenigstens wird dies durch eine geschickte Bemalung der Außenflächen der Häuser vorgetäuscht. Eine schöne Abwechslung erhalten die Lamapaläste durch die großen offenen Loggien, die die Mitte der Vorderseiten unterbrechen und die durch schwere, aus schwarzem Yakhaar gewobene Vorhänge wie durch große Baldachine geschlossen werden. Symbole, stilisierte Wolken, Hakenkreuze, Zeichen für ewiges Leben, Sinnsprüche, Gebetsarabesken sind darauf gemalt oder genäht und schmücken auch als goldene Scheiben von Holz oder Metall die dunkelbraunen oder schwarzen Reisigfüllungen und Reisigaufbauten, die, vorne wie eine Bürste abgestutzt, auch in Labrang immer am obersten Stockwerke wie eine Art Verputz Verwendung finden und auch hier vermöge ihrer wechselnden Dicke und nicht vollkommenen Ebenmäßigkeit einen ganz eigenartigen, einem orientalischen Knüpfteppich zu vergleichenden Effekt hervorrufen. Mit gelber Farbe sind darauf architektonische Einzelheiten, Stirnseiten von Balken u. dgl. gemalt. Direkt unter dem Reisig ist das Mauerwerk weiß gepinselt, während die unteren Etagen der Seng kang rot oder gelb gehalten sind. Ist auch, mit europäischen Augen gemessen, keine Mauer, keine Schnitzerei, ja rein nichts präzise gearbeitet, so fallen doch alle Tempel und Häuser im Vergleich zu chinesischen Heiligtümern bei aller uns moderne Menschen barbarisch anmutenden Ungleichheit durch ihre liebevolle Säuberlichkeit auf. Alles wird in gutem Stand gehalten.

Die großen Heiligtümer von Labrang sind : der sechs Etagen hohe, festverschlossene Gung kang serten tschienbo, der ganz im Hintergrund des Tales dicht an der Bergwand liegt, vor dem zwei große alte Fichten stehen und der unter seinem Golddach, in seinem finsteren Mittelraum überlebensgroße Bilder der Yidam (Schutzgötter) enthält (Tafel LXXI) ; der große Du kang labrang mit zwei goldenen Dächern von gewaltigen Ausmessungen übereinander, die Residenz des Dschayan schagba kambo, die dem ganzen Kloster den Namen Labrang gegeben hat; weiterhin der durch seine Ausdehnung von ferne schon in die Augen fallende Schamba Tsog tschen du kang, dessen flaches Dach von hundertfünfundsechzig Säulen getragen wird. In ihm versammeln sich jedes Jahr einmal sämtliche 3600 geprüften Mönche und lesen unter der Aufsicht ihres Dschayan schagba den ganzen Kandyur herunter. Daneben ist auch hier eine riesenhafte Teeküche,

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