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0410 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 410 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Die Höhen dieser Sandsteinketten zieren grüne Buschwälder. In den Schluchten graben die Chinesen nach Steinkohlen. Von den Höhen herab aber trifft das Auge auf das ungeheure Lößland von Kan su. Ein gelbes, chaotisches Gipfelgewirr, der millionenfach zerschlissene Löß, zieht sich ohne Ende nach Norden und nur an einer Stelle blitzt ein schmaler, krummer Silberstreifen wie ein Türkensäbel vor mir auf, ein Sonnenstrahl verrät mir die Anwesenheit des Hoang ho. Und jetzt wird im Weiterreiten ein schmales grünes Bändchen mit Bäumen, mit Pappeln und Jujuben, ein winziger Ufersaum, kaum der Rede wert, sichtbar. Er zieht mit dem Lichtstreifen dahin, bis beide an einer breiten, gelben Bergzunge endigen. Zwei plumpe Lehmtürme von derselben öden Farbe wie alles um uns her sind auf dem Vorsprung zu entdecken und verraten mir die Lage der Hauptstadt Lan tschou fu. — Am selben Tage, an dem ich den Tao-Fluß verlassen hatte, ritt ich noch durch die Stadttore und die engen Straßen der Stadt. Schon dunkelte es, und am zweiten inneren Tore waren wir die letzten, welche die Wache an jenem Tage einließ. Aber die Eile lohnte sich. Keine Stunde später lachte mich bereits ein gedeckter Tisch an, der den faden Tsamba und das tagtägliche Goa mien vergessen ließ. In der Post, die ich noch am Abend aufsuchte, wurden mir nicht bloß Briefe aus der Heimat — die ersten seit Jahresfrist — übergeben, herzlich willkommen hieß mich dort auch Mr. Shields, der einige Monate zuvor von unten gekommen war, um die Post in der Provinz Kan su einzurichten. Wer das Glück hat, diesen liebenswürdigen und unterhaltsamen Schotten zu kennen, der weiß, daß ich an diesem Abend in keine besseren Hände kommen konnte und daß mein Zwerchfell in den kurzen Stunden bis Mitternacht noch fast unmenschliche Lachsalven aushalten mußte. Ich hatte damit gerechnet, in Lan tschou fu noch andere alte Bekannte zu treffen, sah mich aber diesmal in dieser Hoffnung getäuscht. Mein Freund van Dyk befand sich zur alljährlichen Retraite der Pères bei seinem Bischof in der Mission von Liang tschou fu. So konnte ich ihm zu meinem lebhaften Bedauern nicht einmal mehr die Hand zum Dank dafür schütteln, daß er so regen Anteil an meinen Bestrebungen genommen und die Ausbeute der einzelnen Fahrten für mich in seinem Heim so gut und treu gehütet hatte.

Mein Aufenthalt in der Hauptstadt währte so lange, bis sich ein Frachthang gefunden hatte, der mit mir einen Kontrakt einging und mein Gepäck so rasch wie möglich nach Hsi ngan fu zu schaffen versprach, wo ich es wieder in Empfang nehmen sollte. Da Mr. Shields mir hierbei behilflich war, so konnte ich schon nach wenigen Tagen die Stadt wieder verlassen. Ich ritt auf der großen Heerstraße Lan tschou fu—Hsi ngan fu weiter, auf der Straße, der auch der

Telegraph folgt, und die in den siebziger Jahren der Wiedereroberer Turkistan, der große Tso ts` ung tang, auf Hunderte von Kilometern mit Pappelbäumen

eingesäumt hatte. Um seine Allee zu schützen, wurde einst auf jede mutwillige

Beschädigung eines Baumes die Todesstrafe gesetzt. Tagereisen weit stehen auch heute noch Bäume, aber die Wegetrace kann oft auf lange Strecken nicht

mehr der alten Allee folgen. Der Löß ist ein zu lockerer Grund. Regengüsse haben die Talrisse um oft Hunderte von Metern verlängert und vertieft, und so zeigt die Baumreihe über Schluchten, die heute kein Mensch mehr übersteigen kann; der Verkehr mußte inzwischen oft eine ganz andere Richtung

einsch'gen.

'',i der Etappenstation Ngan (An) ting hsien schlagen die Kamel- und

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