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0412 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 412 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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ping-Zeit verschont wurde. Bis nach Tsing ngan hsien zogen sich damals die Kämpfe, und Tsing ngan hsien wie Tsing schui hsien im Norden, und im Süden Hui hsien, die alle drei dem Tschi li tschou von Ts`in tschou unterstehen, wurden von den Langhaarigen gebrandschatzt und haben seitdem die alte Blüte nicht mehr wiederbekommen. Dem guten Aussehen der Wohnhäuser von Ts` in tschou entsprach ein schön gepflegter Tempelberg, Tai schan, in dem zwischen uralten Bäumen das taoistische und buddhistische Pantheon aufgestellt ist und der zugleich als Vergnügungspark für Festtage dient. In der Tschung tsch`eng, der Mittelstadt, besuchte ich eine sehr hübsche Moschee, die über 400 Jahre alt ist. In der ebenfalls ummauerten Da (großen) tsch`eng liegen die Ya men des Dao tai, des Tschi li tschou und eines Majors, im ummauerten Hsi (West) kwan sind die großen Handelgeschäfte, während sich im Dung (Ost) kwan die ausgedehnten Baulichkeiten des apostolischen Vikariats Süd-Kan su befinden, in denen mich Bischof ter Laak aufs herzlichste willkommen hieß. Diese belgischen Missionare konnten mir erzählen, daß der Bezirk Ts` in tschou sehr reich an Erdbeben ist. Graf v. Széchenyi wußte bereits davon und in der Geschichte Chinas ist von mehreren großen Katastrophen die Rede, die die Gegend von Kung tschang fu und Ts`in tschou heimsuchten. Daneben fielen mir in dieser Gegend viele und große Erdrutsche auf ; quadratkilometergroße Berglehnen mit Löß gleiten hier auf der tonigen Unterlage mit allen Äckern und Dörfern ab.

In der Hauptstraße von Ts`in tschou stand ich eines Morgens vor einem alten guten Bekannten, dem Lettré Li, der 1904 mit uns in Tibet war. Ein zufriedenes Lächeln ging über sein ganzes, breites Gesicht, als er von seiner jetzigen Stellung

sprach.   Ursprünglich gelernter Schneider, später Schuster, Maler, vom
38. Lebensjahre an Student, dann Schreiber und Kalendermacher, dazwischen Kleinkaufmann, endlich Schulmeister für Kinder von zehn Jahren, dann unser Lettré, war er jetzt, den Bedürfnissen der Neuzeit entsprechend, Professor der französischen Sprache an dem neu errichteten „College" in Ts` in tschou und ein sehr geachteter Mann geworden, der nur noch mit größter Würde „Unregsamkeit übend," ganz langsam über die Straße schritt. Er hatte mittlerweile eine Karte des ganzen Tschou-Amtes im Auftrage seiner Vorgesetzten aufgenommen, und während er damals, als wir mit ihm von Lan tschou fu nach Tibet aufbrachen, erst zehn lateinische Worte wußte, konnte er jetzt bereits „auf Französisch zählen". Er hatte fünfzig Schüler im Alter zwischen 20 und 35 Jahren. Sein Lehramt brachte ihm monatlich 20 Tael ein, womit er noch seine Familie, die er in Lan tschou fu gelassen hatte, unterhielt. Er war jetzt ein kleiner Lao ye, ein Herr Beamter, und wurde in den Straßen von links und rechts ehrfürchtig gegrüßt.

Von der neuen Ära, die für China angebrochen war, merkte man, abgesehen von der Schule, ihrer Klasse für fremde Sprachen und einigen Űllämpchen in der Hauptstraße, sehr wenig in Ts`in tschou. Ein Dao tai Li hatte sich zwei Jahre früher sehr unbeliebt bei der Bevölkerung gemacht, weil er sie zwingen wollte, die Straße zu fegen, und weil er die Häuser mit Nummern versah. Er erregte dadurch abergläubische Furcht und beinahe wäre es darob zum offenen

Aufruhr gekommen.

Dem breiten, fruchtbaren Tale des Hsi ho folgend, reist man von Ts`in tschou zuerst einige Stunden lang zwischen Reisfeldern und Persimon-Bäumen, unter denen Mohn gezogen wurde — Ts`in tschou war vor der Bekämpfung der Opium-

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